UPD Patientenberatung Deutschland gGmbH|27.06.2022

PRESSEMITTEILUNG

Psychotherapie: Unabhängige Patientenberatung fordert besseren Zugang zu Therapieplätzen für gesetzlich Versicherte

Berlin (kkdp)·2021 lehnten die gesetzlichen Krankenkassen im Schnitt 48 Prozent der Anträge auf Kostenerstattung für eine Psychotherapie in einer Privatpraxis ab. Die betroffenen Patienten hatten sich zuvor vergeblich um eine Therapie in einer Kassenpraxis bemüht. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV), in der 503 Privatpraxen befragt wurden. Die Zahl der Ablehnungen steigt seit 2019 an. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit der Beratungserfahrung der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD).

Gesetzliche Krankenkassen müssen ihren Versicherten die Kosten für einen Psychotherapieplatz in einer Privatpraxis erstatten, wenn die Versicherten dringend eine ambulante Therapie benötigen und die Krankenkasse die Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann. Dieser Kostenerstattungsanspruch ist gesetzlich verankert. Die Versicherten müssen den dringenden Bedarf für eine Therapie und die vergebliche Suche nach einem Platz in einer Vertragspraxis der Krankenkasse nachweisen. In welchem Umfang Suchaktivitäten erforderlich und zumutbar sind, ist jedoch nicht gesetzlich festgelegt. Wichtig ist zudem die Qualifikation des Therapeuten: Dieser muss die Voraussetzungen zur Eintragung ins Arztregister erfüllen.

Keine Verbesserung durch Terminservice- und Versorgungsgesetz

Für eine Langzeit-Psychotherapie ("Richtlinienpsychotherapie") müssen Versicherte zunächst in einer psychotherapeutischen Sprechstunde feststellen lassen, ob und wie sie psychotherapeutisch behandelt werden müssen. Sofern sie nicht akut behandlungsbedürftig sind, wird dann über mehrere so genannte probatorischen Sitzungen ermittelt, ob der Betroffene und der Therapeut zusammenarbeiten können. Erst im Anschluss daran wird eine ambulante Therapie seitens des Therapeuten beantragt. Oft haben die Therapeuten dann aber gar keine Kapazitäten für mehrmonatige wöchentliche Richtlinientherapie und Betroffene finden trotz intensiver Suche keinen Platz bei einem anderen Therapeuten mit Kassenzulassung.

Die 2019 durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) geschaffenen Terminservicestellen vermitteln Patienten auch ohne Überweisung Termine für eine psychotherapeutische Sprechstunde. Wenn der Therapeut in einer solche Sprechstunde einen Bedarf feststellt, werden auch Termine für eine psychotherapeutische Akutbehandlung oder eine probatorische Sitzung vermittelt. Bei diesen Leistungen handelt es sich aber nicht um die in der Regel eigentlich erforderliche Richtlinienpsychotherapie.

"Ratsuchende berichten uns, dass ihre Krankenkassen Anträge auf Kostenerstattung für Therapien bei privaten Therapeuten ablehnen und zur Begründung insbesondere auf die Terminservicestellen verweisen", sagt Thorben Krumwiede, Geschäftsführer der UPD. "Diese können und dürfen den Betroffenen aber keine dauerhaften Therapieplätze vermitteln und sind somit gar nicht in der Lage, das Problem zu lösen. Aus unserer Sicht ist es daher höchste Zeit, dass die Krankenkassen ihre gesetzliche Pflicht zur Kostenerstattung konsequent umsetzen. Bei falsch begründeten abgelehnten Anträgen sollte es zu Sanktionen kommen.

Zahl der abgelehnten Anträge steigt

Die Zahl der Ablehnungen hat sowohl bei der Erstbeantragung als auch im Widerspruchsverfahren zugenommen. So lehnten nach dem Ergebnis der Umfrage der DPtV die Krankenkassen im Jahr

2021 durchschnittlich 48 Prozent der Erstanträge ab und wiesen 29,8 Prozent der gegen die Ablehnung eingelegten Widersprüche zurück. Für die Widerspruchsentscheidungen bedeutet dies eine Steigerung um 3,2 Prozent seit 2019. Die Krankenkassen begründeten die Ablehnungen neben dem Hinweis auf die Terminservicestellen auch mit Verweisen auf die Psychiatrie oder digitale Gesundheitsanwendungen. Andere Kassen führten an, dass genug Vertragspsychotherapeuten vorhanden seien oder die Kostenerstattung gesetzlich nicht mehr erlaubt sei.

"Die diversen Begründungen der Krankenkassen sind in der Regel irreführend oder schlicht falsch: Terminservicestellen schaffen hier keine Abhilfe und die Kostenerstattung ist nicht nur erlaubt, sondern sogar verpflichtend, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen", kritisiert Heike Morris, juristische Leiterin der UPD. Thorben Krumwiede ergänzt: "Wer eine Psychotherapie benötigt, steht ohnehin unter einem hohen Leidensdruck. Dieser hat sich gerade in Zeiten der Corona-Pandemie noch verstärkt. Betroffene sind in dieser Situation auf schnelle Hilfe angewiesen." Die UPD appelliere nach seinen Worten daher an Politik, Kassen und Selbstverwaltung, zügig wirksame Lösungen zu finden, um den gesetzlichen Anspruch zur Richtlinientherapie sicherstellen - sei es durch mehr Vertragstherapeuten oder ein schnelles und transparentes Kostenerstattungsverfahren.

Weitere Belege für hohen Bedarf

Auch in der Arbeitswelt zeigt sich der hohe Bedarf an Psychotherapieplätzen. Laut dem "Psychreport der DAK Gesundheit über psychische Erkrankungen im Jahr 2021" erreichte der Arbeitsausfall wegen psychischer Erkrankungen im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand: Mit 276 Fehltagen pro 100 Versicherte lag die Zahl um 41 Prozent höher als im Jahr 2011. "Dies unterstreicht umso mehr, dass Betroffene eine Psychotherapie in aktuellen Zeiten nötiger brauchen denn je", führt Heike Morris fort. "Wir benötigen daher unbedingt weitere Lösungen, die es Betroffenen ermöglichen, schneller und einfacher an einen Psychotherapieplatz zu kommen."

Pressekontakt:

Markus Hüttmann
Pressereferent
0049 (0)30-868721-140
presse@patientenberatung.de

Jann G. Ohlendorf
Pressesprecher
Telefon: 0049-(0)30-868721-140
Email: presse@patientenberatung.de


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