Deutscher Bundestag|14.06.2023

PRESSEMITTEILUNG

Gesundheitsexperten warnen vor Mangelernährung

Berlin (kkdp)·Mediziner und Pflegewissenschaftler fordern ein professionelleres Verpflegungsmanagement in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Viele Patienten seien schon bei der Aufnahme in die jeweiligen Einrichtungen mangelernährt, erklärten die Sachverständigen in einem Expertengespräch des Gesundheitsausschusses am Mittwoch in Berlin. Nötig seien ein systematisches Screening und Verfahrensregeln.

Thomas Reinbold vom Klinikum Dortmund betonte, es gehe vor allem um die krankheitsbedingte Mangelernährung, also multimorbide Patienten, die nicht in der Lage seien, ausreichend zu essen oder zu trinken. In seiner Klinik weise etwa jeder vierte Patient bei Aufnahme eine Mangelernährung auf. Bei besonders vulnerablen Gruppen, beispielsweise in der Geriatrie, liege die Quote bei über 60 Prozent.

Reinbold sprach sich für ein verbindliches Ernährungs-Screening aus, denn solche Patienten hätten eine erhöhte Morbidität und Mortalität. Die Genesung werde durch Mangelernährung nicht nur verlängert, sondern gefährdet. Eine Ernährungstherapie bringe Vorteile und reduziere die hohen Folgekosten.

Auch Matthias Pirlich von der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) ging auf den evidenten Zusammenhang zwischen Ernährung und Behandlungserfolg ein. Die verfügbaren Studiendaten zeigten, dass 20 bis 30 Prozent aller Menschen, die in ein Krankenhaus aufgenommen werden, am Tag der Aufnahme bereits mangelernährt seien. Das gelte für Deutschland wie auch für andere westeuropäische Staaten.

Die medizinischen Folgen seien gravierend, sagte Pirlich, weil eine Mangelernährung die Sterblichkeit erhöhe. Dies sei auch in der Corona-Pandemie deutlich geworden. Durch ein individualisiertes Ernährungsmanagement könne die Sterblichkeit merklich gesenkt werden. Das sei vermutlich sogar kostenneutral, weil zugleich die Behandlungskosten reduziert würden.

Das Ernährungsverhalten der Deutschen weicht nach Angaben der Ärztin Kristin Hünninghaus vom Uniklinikum Essen stark von den ernährungsmedizinischen Empfehlungen ab. Dies führe zu chronischen Erkrankungen, einer Verschlechterung des Ernährungszustands, Hospitalisierung und einer enormen Belastung der Gesundheitssystems. Sie forderte eine nationale Ernährungswende.

Die Speiseversorgung sei in vielen Krankenhäusern weder gesund noch nachhaltig oder lecker, rügte Hünninghaus. Viele Patienten ließen das Essen unangetastet zurückgehen, verlören in der Folge an Gewicht und Kraft. Auch würden den wenigsten Patienten ernährungsmedizinische Mitbehandlungen angeboten, obwohl dies in vielen Fällen indiziert wäre. Um der Entkopplung von Verpflegung und Therapie zu begegnen, müssten neue Strukturen in den Krankenhäusern greifen.

Die Pflegewissenschaftlerin Petra Blumenberg vom Aktionsbündnis Patientensicherheit sprach von einem hochrelevanten Problem, das seit vielen Jahren bekannt sei und bei Patienten potenziell Schaden anrichten könne. Die dringende Empfehlung laute daher, multiprofessionelle Ablaufpläne zu erstellen und bestimmte Verfahren verpflichtend zu machen. Der Entstehung von Mangelernährung müsse effektiv vorgebeugt werden. So gebe es zu wenige Diätassistenten in Kliniken und Pflegeheimen.

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