Sofortiges Ausgabenmoratorium gefordert
Weitere Krankenkassen erhöhen Beitragssatz ab April 2025
26.03.2025·Während Union und SPD die Ergebnisse aller 16 an den Koalitionsverhandlungen beteiligten Arbeitsgruppen zusammenführen und dabei auch um die künftige Gesundheitspolitik ringen, rutschen die gesetzlichen Krankenkassen immer weiter ins Minus. Bei einem Defizit von insgesamt rund 10 Milliarden Euro sowie Rücklagen unter dem gesetzlichen Minimum haben jetzt weitere Krankenkassen eine Beitragsanhebung zum 01.04.2025 beschlossen. Der GKV-Spitzenverband fordert ein sofortiges Ausgabenmoratorium, um den weiteren Anstieg der Lohnnebenkosten für Mitglieder und Arbeitgeber zu stoppen.
BMG legt Zusatzbeitragssatz für 2025 zu niedrig fest
Neben den immer weiter steigenden Ausgaben der Kassen müssen diese also zusätzlich Beiträge zum Auffüllen der Finanzreserven erheben. Für immer mehr Krankenkassen wird damit eine Beitragssatzanhebung notwendig. Alleine zum Jahreswechsel hatten bereits insgesamt 82 Krankenkassen eine Beitragserhöhung beschlossen. Weitere hatten vorab im Oktober und November 2024 erhöht. Als Kalkulationsgrundlage für die Haushaltspläne der Kassen hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Anfang November 2024 den "durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz" für 2025 auf 2,5 Prozent (+0,8 Prozentpunkte zu 2024) festgelegt. Von Anfang an zu niedrig, wie die aktuelle Entwicklung zeigt. Der durchschnittlich erhobene Zusatzbeitragssatz lag bereits am 01.01.2025 bei 2,92 Prozent.
Weitere Kassen erhöhen unterjährig den Beitragssatz
Der Aufwärtstrend der Zusatzbeitragssätze setzt sich seitdem fort. So haben bereits zum 01.02.2025 die IKK Innovationskasse um 0,50 Punkte auf 18,20 Prozent und die BKK Merck um 0,80 Punkte auf 17,80 Prozent erhöht. Zum 01.04.2025 erhöhen die mhplus Krankenkasse um 0,73 Punkte auf 17,79 Prozent und die BKK24 um 1,14 Punkte auf 18,99 Prozent. Die IKK hatte ihren Beitragssatz zuletzt am 01.11.2024 angehoben, die drei BKKn zuletzt am 01.10.2024. Spätestens zum 01.07.2025 wird auch die BKK firmus ihren Beitragssatz anheben. Dies hat die Kasse bereits im Februar angekündigt. Alle aktuellen Beitragsanpassungen finden Sie jeweils im Beitragsvergleich (Navigation "Krankenkassen"). Mit dem GKV-Newsletter (Navigation "News & Themen") können Sie sich zudem kostenfrei per E-Mail über alle Änderungen informieren lassen.
GKV-Spitzenverband fordert Ausgabenmoratorium
Der GKV-Spitzenverband drängt auf schnelles Handeln. "Nach zehn Jahren einer Gesetzgebung, die vor allem steigende Ausgaben verursachte, brauchen wir einen grundlegenden Kurswechsel in der Gesundheitspolitik", erklärt Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, gegenüber dem Westfälischen Anzeiger. "Die Gesundheitspolitik der letzten zehn Jahre kannte viele Gewinner und einen Verlierer. Gewinner waren z. B. die Krankenhäuser, die so viel Geld erhielten wie noch nie. Gewinner war auch die Pharmaindustrie mit gewaltigen Einnahmesteigerungen und Gewinner waren die Ärztinnen und Ärzte mit überproportional gestiegenen Honoraren. Verlierer waren die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, die das alles durch hohe Beitragssatzsteigerungen bezahlen müssen."
Der GKV-Spitzenverband fordert deshalb: "Wir brauchen erstens ein Ausgabenmoratorium. Das bedeutet im Klartext: Keine Preis- oder Honorarerhöhungen mehr, die über die laufenden Einnahmen hinausgehen", erklärt Vorstandschefin Pfeiffer gegenüber der NOZ (vgl. "Links zum Thema"). Das Moratorium müsse gelten, bis durch geeignete Strukturreformen Einnahmen und Ausgaben wieder in ein Gleichgewicht gebracht worden seien. Zweitens müsse die medizinische Versorgung der Bürgergeld-Bezieher endlich fair - also aus Steuermitteln - finanziert werden. "Drittens braucht unser Gesundheitswesen durchgreifende Strukturreformen, damit sich das medizinische und pflegerische Versorgungsangebot nach dem Bedarf der Patientinnen und Patienten richtet", so Pfeiffer. Nicht nur die Geldnot, auch die Alterung der Gesellschaft und der Ärzte- und Pfleger-Mangel erzwinge nachhaltige Strukturverbesserungen.
"Wenn die Politik nicht umgehend handelt, dreht sich die Beitragsspirale einfach weiter", warnte Pfeiffer. Das würde für Millionen Versicherte und deren Arbeitgeber spätestens Anfang 2026 erneut deutlich steigende Krankenkassenbeiträge bedeuten.
Versicherungsfremden Leistungen: Staat finanziert eigene Aufgaben mit 60 Milliarden Euro aus Kassenbeiträgen
Der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden immer mehr gesamtgesellschaftliche Aufgaben zugewiesen, die Kernaufgabe des Staates sind. Mit einer Gesamtsumme von rund 60 Milliarden Euro treibt dies die Kassenbeiträge nach einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung aus Leipzig um 2,54 Beitragssatzpunkte in die Höhe: Der GKV-Beitragszahler werde mit 740 Euro pro Jahr im Durchschnitt belastet (vgl. "Links zum Thema"). Würden die "versicherungsfremden Leistungen" ordnungspolitisch richtig finanziert, könnte der Zusatzbeitragssatz der Krankenkassen entsprechend entfallen und die Lohnnebenkosten würden deutlich gesenkt.
Bisher blieben solche Forderungen jedoch regelmäßig ungehört. So stand schon im Koalitionsvertrag der Ampel, dass die Beiträge für Bürgergeldempfänger zu einem größeren Teil aus Steuergeldern finanziert werden sollen. Umgesetzt wurde dies von Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht. Im Gegenteil. Im Zuge der aktuellen Krankenhausreform wurde ein Transformationsfonds für Investitionen der Krankenhäuser über 50 Milliarden Euro aufgelegt, in den Länder und Krankenkassen jeweils hälftig einzahlen sollen. In Summe sollen also erneut bis zu 25 Milliarden Euro aus dem Beitragsaufkommen der GKV für staatliche Aufgaben wie die Daseinsvorsorge eingesetzt werden. Dies verurteilen nicht nur die Kassen, sondern auch Sozialverbände.
Sozialverbände fordern Finanzverantwortung des Staates
Nach dem Beschluss des Transformationsfonds im Bundesrat am 21.03.2025 hat der SoVD-Bundesverband vor einer Zweckentfremdung von Beitragsgeldern gewarnt. Er fordert, "dass Bund und Länder die Finanzierung des Transformationsfonds vollständig übernehmen. Es ist nicht Aufgabe der Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung, den Investitionsbedarf von Bund und Ländern im Gesundheitswesen auszugleichen", erklärt SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. "Das ist nicht nur verfassungsrechtlich äußerst bedenklich, sondern angesichts der ohnehin überaus angespannten Finanzlage in der gesetzlichen Krankenversicherung schlichtweg unverantwortlich. Diese gesamtgesellschaftliche Verantwortung gehört in die Haushalte von Bund und Ländern" (vgl. "Links zum Thema").
Auch der Sozialverband VdK Deutschland fordert, der Bund müsse die Krankenhausreform aus Bundesmitteln finanzieren, etwa aus dem Sondervermögen (vgl. "Links zum Thema").
- SoVD warnt vor Zweckentfremdung von Beitragsgeldern
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