Die Wahlprogramme unterscheiden sich deutlich in der Gewichtung, im Detailgrad sowie in der Ausführung und Begründung einzelner Positionen zur Gesundheitspolitik. Dennoch ergibt sich aus der Summe der Einzelpositionen je Partei ein abgrenzbares Gesamtbild zur Meinungsbildung:
Alternative für Deutschland (AfD)Download des Wahlprogramms "ZEIT FÜR DEUTSCHLAND."
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Themen Gesundheit & Pflege ab Seite 26
Grundsätzlich will die AfD das bestehende Gesundheitssystem fortführen. Eine wichtige Aufgabe sieht die AfD in der Verbesserung der Versorgung im ländlichen Raum. Die überbordende Bürokratie im Gesundheitswesen sei Ausdruck eines Misstrauens der Politik gegenüber den Leistungserbringern. Die AfD setzt auf Deregulierung, Selbstverwaltung und auf Eigenverantwortung. Für Fachpersonal aus dem Ausland fordert sie einen Nachweis über sprachliche Fähigkeiten. Im Bereich Pflege sollen Patienten und Angehörige im häuslichen Umfeld stärker unterstützt werden. Die Mitgliedschaft Deutschlands in der WHO will die AfD prüfen und ggf. beenden.
Aus dem Programm der AfD:Schwerpunkt GKVKrankenhausfinanzierung: Vollständige Abschaffung der Fallpauschalen und Rückkehr zu individuellen Budgetvereinbarungen zwischen den Krankenhäusern und der GKV auf Landesebene
Ambulante Versorgung: Abschaffung der Budgetierung für Ärzte und Einführung von gestaffelten Bonus- bzw. Rückvergütungssystemen, um ungesteuerte Leistungsausweitungen zu verhindern
Finanzielle und organisatorische Förderung der Niederlassung von Ärzten in ländlichen Räumen
Schaffung einer bundeseinheitlichen, gesetzlichen Personalbemessung für alle pflegesensitiven Bereiche
Abschaffung des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Medikamenten aufgrund von Wettbewerbsverzerrungen
Rückverlagerung der pharmazeutischen Produktion nach Deutschland und in sichere Herkunftsländer
Verpflichtung des Arzneimittelgroßhandels zur Bevorratung versorgungsrelevanter Arzneimitteln von mindestens zwei Monatsbedarfen.
Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag: Entscheidungsträger von Maßnahmen gegen den Rat von Wissenschaftlern sollen zur Verantwortung gezogen werden; im Zusammenhang mit der Corona-Krise geänderte Gesetze und Richtlinien sind zu überprüfen und gegebenenfalls zu streichen.
Prüfung eines Austrittes aus der WHO
Ablehnung der Widerspruchslösung bei der Organspende
Eingriffe zur Änderung des Geschlechts sollen verboten werden
Ablehnung eines Anspruchs auf Sterbehilfe
Rücknahme der Freigabe des Cannabiskonsums
Überprüfung und Reform der Impfempfehlungen durch die Ständige Impfkommission (STIKO)
Ablehnung einer zentralen Datenbank mit der Anbindung von Kliniken, Praxen, Psychotherapeuten und Apotheken zur Speicherung vertraulicher Patientendaten (Telematik-Infrastruktur - TI)
Speicherung eines Notfalldatensatzes, einschließlich eines Medikamentenplans und einer Patientenverfügung auf der eGk
Sprachtest (Niveau C1) für medizinisches Fachpersonal aus dem Ausland
Schwerpunkt PflegeAblehnung von Pflegekammern, da mit zusätzlicher Bürokratie, staatlichem Zugriff und Zwangsbeiträgen zu rechnen sei
Häusliche Pflege: Deutlich höhere Geldleistungen sowie Unterstützung bei Krankheit oder Urlaubswunsch und verbesserte ambulante und befristete stationäre Angebote
DIE LINKEDownload des Wahlprogramms "Alle wollen regieren. Wir wollen verändern."
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Themen Gesundheit & Pflege ab Seite 17
Die Partei DIE LINKE möchte einen Systemwechsel in der Kranken- und Pflegeversicherung hin zu einer einheitlichen gesetzlichen Vollversicherung (Bürgerversicherung) - unter Einbezug der bisher PKV-Versicherten. Alle Einkommen sollen verbeitragt und die Beitragsbemessungsgrenzen (BBG) abgeschafft werden. Der Leistungskatalog soll das evidenzbasiert, medizinisch Notwendige abdecken. Die Pflegeversicherung soll zu einer Vollversicherung ausgebaut werden.
Aus dem Programm der Linken:Schwerpunkt GKVAbschaffung des dualen Systems aus GKV und PKV und Einführung einer "solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung" für alle Versicherten (auch der PKV-Versicherten)
Einbezug aller Einkünfte in die Verbeitragung
Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenzen (BBG), Entgelte werden damit unbegrenzt beitragspflichtig
Übernahme aller Betriebskosten der Krankenhäuser durch die Krankenkassen, Übernahme aller Investitionskosten durch die Länder
Verbot der Gewinnmöglichkeit von Krankenhäusern. Dabei: Übernahmeregelungen von privat geführten Häusern durch Kommunen
Ambulante Versorgung: Schaffung kommunaler Versorgungszentren mit kurzen Wegen
Teilweiser Übergang des Versorgungsauftrags auf die Länder und Kommunen
Versorgungsbefugnisse der Heilberufe (Apotheker, Pflegekräfte, Therapeuten, Hebammen, medizinische Fachangestellte und Notfallsanitäter) sollen ausgeweitet werden
Reform der Bedarfsplanung für vertragspsychotherapeutische Kassensitze, die sich nach dem "realen Bedarf" richtet
Private Kapitalgesellschaften (insbesondere Private-Equity-Unternehmen) sollen nicht mehr in Pflegeeinrichtungen und medizinische Versorgungszentren (MVZ) investieren dürfen
DiGA werden einem wissenschaftlichen Bewertungsverfahren unterzogen, Open-Source-Anwendungen sollen öffentlich gefördert werden
Arzneimittelpreise sollen stärker reglementiert und die Arzneimittelforschung öffentlich kontrolliert werden.
Die Forschung zu seltenen Krankheiten soll ausgebaut werden
Werbe- und Sponsoringverbot für Tabak, Alkohol, andere Drogen sowie Glücksspielangebote
Drogenkonsum soll vollständig entkriminalisiert und durch medizinische und sozialarbeiterische Interventionsprogramme begleitet werden. Für die Fahrtüchtigkeit sollen weiterhin Grenzwerte gelten.
Schwerpunkt PflegeErweiterung zu einer Vollversicherung, die alle pflegerischen Leistungen abdeckt. Eigenanteile würden damit entfallen.
Verlagerung der Kosten für Pflege von Kommunen auf die Beitragszahler (Eigenanteile aus Sozialhilfe entfallen)
Bundesweite Entlastungstarifverträge und Rückwerbeoffensive für Pflegekräfte, die ihren Beruf verlassen haben
Tarifverträge sollen leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können
Gesetzliche Regelung zur Personalbemessung
Rücknahme von Ausgliederungen und Privatisierungen in Pflegeeinrichtungen (etwa der Küchen- und Reinigungsdienstleistungen oder der Logistik)
Beschäftigte sollen beim ersten Auftreten eines familiären Pflegefalls Anspruch auf sechs Wochen Freistellung bei vollem arbeitgeberfinanziertem Lohnausgleich haben
Die 24/7-Pflege durch ausländische Arbeitskräfte soll sozialversicherungspflichtig mit gesetzlicher Arbeitszeit, Urlaub und Mindestlohn werden.
Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW)Download des Wahlprogramms "Unser Land verdient mehr!"
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Themen Gesundheit & Pflege ab Seite 26
Auch das BSW möchte eine Bürgerversicherung einführen in der alle Bürger versichert sind und die auch die bisherige PKV einschließt. Im Vordergrund der Gesundheitsversorgung sieht das BSW den menschlichen Kontakt. Die ärztliche Schweigepflicht sei daher eine Grundvoraussetzung, um Vertrauen in die Versorgung zu schaffen. Jegliche Bemühungen um eine Digitalisierung hätten sich diesem Grundsatz unterzuordnen.
Aus dem Programm des BSW:Schwerpunkt GKVSchaffung einer Bürgerversicherung, verpflichtend für alle Bürger
Abschaffung der Zusatzbeiträge der Krankenkassen
Beitragshöhe nach individuellem Einkommen (nicht näher definiert)
versicherungsfremde Leistungen (z. B. Beiträge von Bürgergeld-Empfängern) sollen steuerfinanziert werden
PKV-Sofortmaßnahme: Pflicht zur Übertragung der Altersrückstellungen beim Anbieterwechsel (Portabilität)
Abschaffung der verschiedenen Versorgungssektoren (z. B. ambulant, Pflege- und stationäre Versorgung)
Verstetigung der integrativen Versorgungskonzepte und eine vernetzte Versorgung über alle Akteure hinweg
Ausbau der Kompetenzen des G-BA bei der Formulierung von Mindestanforderungen für Versorgungskonzepte
Höhere Vergütung für Hausärzte als Ansprechpartner der Patienten sowie für Zahnärzte vor dem Hintergrund von Einkommenseinbußen durch den Wegfall der PKV.
Notwendiger Zahnersatz und Sehhilfen sollen vollständig in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen werden
Förderung der Kinder- und Jugendmedizin, der Palliativmedizin, der Versorgung in Hospizen und der stationären Pflege (nicht näher definiert)
Schwerpunkt PflegeSchaffung einer Pflegevollversicherung, die überwiegend aus Steuermitteln finanziert wird
Studie zur Bürgerversicherung
Das Konzept einer Bürgerversicherung wird insbesondere von den Parteien des linken politischen Spektrums (SPD, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, BSW) mit jeweils unterschiedlichen Variationen verfolgt. Zentrale Elemente sind insbesondere die Beseitigung der Dualität aus GKV und PKV sowie die Ausdehung der Beitragserhebung auf weitere Einkommen und Personengruppen.
Bereits 2013 hat sich das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) intensiv mit den volkswirtschaftlichen Kosten und Nebenwirkungen einer Bürgerversicherung befasst und eine Studie herausgegeben. Diese trifft im Kern auch auf die aktuellen Konzepte zu.
Wahlprogramme im Vergleich