gematik wird zur Digitalagentur

Bundeskabinett beschließt Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG)

18.07.2024·Der Bundestag hat am Mittwoch das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) beschlossen. Mit dem GDAG soll die bereits verstaatlichte Betreibergesellschaft der Telematikinfrastruktur (TI) gematik zu einer Digitalagentur ausgebaut und ihre Handlungsfähigkeit angesichts der Herausforderungen der digitalen Transformationen im Gesundheitswesen und in der Pflege gestärkt werden.

Durch das GDAG erhält die gematik als Digitalagentur künftig mehr Verantwortung für die Gesamtprozesse bei der Entwicklung der Digitalprodukte. Sie begleitet den Prozess von der Erstellung der Spezifikation, über die Ausschreibung von Entwicklung bzw. Betrieb der Komponenten, Dienste und Anwendungen bis hin zur Verpflichtung der Anbieter und Hersteller, Maßnahmen zur Störungsbeseitigung zu ergreifen. Das bei der Digitalagentur angesiedelte Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen (KIG) erhält weitere Aufgaben, um sicherzustellen, dass Anwendungen interoperabel sind und die Anwendungen die Versorgung spürbar verbessern. Zudem erhält die Digitalagentur mehr Kompetenzen zur Störungsbeseitigung und wird mit weiteren hoheitlichen Aufgaben beliehen.

Kerninhalte des Gesetzes sind:

Bei der Entwicklung und Bereitstellung von Komponenten und Diensten der Telematikinfrastruktur (TI) gilt künftig ein differenziertes Marktmodell, in dem die Digitalagentur unterschiedliche Rollen einnimmt: Anwendungen, die auf dem Markt vielfach angeboten werden, werden weiterhin von der Digitalagentur spezifiziert und in unterschiedlichen Abstufungen durch die Anbieter entwickelt. Wesentliche Komponenten und Dienste der TI sollen in Zukunft zentral per Vergabeverfahren beschafft und den Leistungserbringern von der Digitalagentur bereitgestellt werden können. Komponenten und Dienste der TI, die zentral und nur einmalig vorhanden sind, können künftig durch die Digitalagentur entwickelt und betrieben werden. So sollen Qualität, Wirtschaftlichkeit und eine zeitgerechte Bereitstellung der Produkte verbessert und das Gesamtsystem stabiler werden.

Um alle relevanten Informationen schnellstmöglich zusammenzutragen, erhält die Digitalagentur das Mandat, im Interesse der unverzüglichen Störungsbeseitigung Informationen von Herstellern und Anbietern anzufordern und, falls erforderlich, die Beteiligten zu verpflichten, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Die Digitalagentur kann auch eigene Maßnahmen ergreifen. Die Anbieter und Hersteller haben der Digitalagentur die hierdurch entstehenden Kosten zu ersetzen.

Die Digitalagentur wird mit weiteren hoheitlichen Aufgaben ausdrücklich beliehen. Das umfasst die Zulassung, das Zertifizierungsverfahren sowie die Erteilung von Anordnungen zur Gefahrenabwehr innerhalb der TI. Um die Sicherheit der TI zu stärken, werden außerdem die Bußgeldtatbestände erweitert und die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als Bußgeldbehörde und der Digitalagentur verstärkt.

Das Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen (KIG) erhält weitere Aufgaben, z. B. wird es qualitative und quantitative Anforderungen an informationstechnische Systeme im Gesundheitswesen festlegen. Es ist als zentraler Akteur für die Förderung von Interoperabilität verantwortlich. Hierunter fallen auch die Praxisverwaltungssysteme (PVS), für die das KIG u. a. Anforderungen an Architektur und Funktionalitäten beschreiben wird. So soll sichergestellt werden, dass die Systeme nicht nur auf allen Ebenen interoperabel sind, sondern auch in der Praxis einen echten Mehrwert für die Versorgung bieten.

Damit die IT-Systeme die qualitativen und quantitativen Anforderungen auch in der Praxis tatsächlich einhalten, finden die mit dem Digital-Gesetz eingeführten Mechanismen auch hier Anwendung: In einem verpflichtenden Konformitätsbewertungsverfahren wird die Einhaltung der Anforderungen überprüft; bei Fehlen eines Zertifikats ergeben sich für Mitbewerber rechtliche Möglichkeiten wie ein Anspruch auf Unterlassung oder Schadensersatzansprüche.

Die Digitalagentur legt Standards der Benutzerfreundlichkeit der Komponenten, Dienste und Anwendungen der TI fest. Gleichzeitig stellt sie sicher, dass diese eingehalten und bestehende Hürden bei der Nutzung im Markt beseitigt werden.

Die Digitalagentur wird bei der Digitalisierung von Versorgungsprozessen im Gesundheitswesen und der Pflege als Partner unterstützen.

Die koordinierende Stelle bei der Digitalagentur erhält die zusätzliche Aufgabe, Anliegen entgegenzunehmen, die mit dem elektronischen Rezept sowie den sicheren Kommunikationsverfahren "Kommunikation im Medizinwesen" (KIM) und dem TI-Messenger (TIM) im Zusammenhang stehen. Hierdurch sollen die Nutzer eine zentrale Stelle für ihre Anliegen zur Verfügung haben.

Kassen kritisieren Interessenkonflikt und unfaire Finanzierung

Im Zuge der Aufgabenerweiterung werde der künftigen Digitalagentur auch die Möglichkeit eingeräumt, selbst Aufträge für die Entwicklung und den Betrieb von Komponenten und Diensten der TI zu vergeben. Gleichzeitig werde sie weiterhin die Aufgabe der Zulassung haben. Damit sei die neue Digitalagentur selbst Marktteilnehmerin mit eigenen Produkten und gleichzeitig Zulassungsstelle für die Produkte ihrer Mitbewerber aus der Industrie. Dies sei ein offensichtlicher Interessenskonflikt, kritisiert Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. "Die Möglichkeit, eigene Komponenten und Dienste der TI zu betreiben, kann und sollte daher allenfalls für zentrale Produkte gelten, die nur einmal im System vorhanden bzw. notwendig sind", so Pfeiffer.

Die Ausgaben der neuen Digitalagentur werden laut GKV-Spitzenverband zu 93 Prozent von den Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgebracht. Über die Verwendung der Mittel entscheide jedoch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit seinem Gesellschafteranteil von 51 Prozent per einfachem Mehrheitsbeschluss. Damit fehle den Krankenkassen die Möglichkeit zur Einflussnahme auf einen wirtschaftlichen Einsatz der Gelder der Beitragszahlenden. Verbandschefin Pfeiffer: "Das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz reiht sich insofern ein in eine Vielzahl von Gesetzesplänen der letzten Zeit, mit denen die Beitragszahlenden der GKV einseitig belastet werden." Zudem sei "die Digitalisierung des Gesundheitswesens eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und müsste als solche aus Steuermitteln finanziert werden".


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