Rekordhoch bei Lohnnebenkosten

SPD will Krankenkassenbeiträge nochmals deutlich anheben

30.06.2025·Mit einer deutlichen Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) möchte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf mehr Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) generieren. Betroffen wären Arbeitgeber und ihre höher qualifizierten Beschäftigten. Ohne einen nachhaltigen Nutzen würden damit die Lohnnebenkosten weiter gesteigert und die Sozialversicherung langfristig geschädigt.

Nach einem GKV-Defizit von 6,6 Milliarden Euro in 2024 mussten zahlreiche Krankenkassen ihre Beitragssätze zum Jahreswechsel und unterjährig in 2025 empfindlich anheben. Neben den Beitragssätzen machten Anfang 2025 auch bereits die Beitragsbemessungsgrenzen der Sozialversicherung einen deutlichen Sprung nach oben. In Summe werden die Beitragszahler damit seit Jahresbeginn erheblich stärker belastet. Lediglich der Staat selbst entzieht sich bislang seiner Finanzverantwortung und bleibt den Krankenkassen die Erstattung für gesamtgesellschaftliche Leistungen in Milliardenhöhe weiter schuldig. Statt diese zu zahlen und die GKV dadurch von sachfremden Kosten zu entlasten, möchte die SPD nun noch einmal deutlich höhere Beiträge für Beschäftigte und Arbeitgeber.

Klüssendorf und Pantazis bedienen Neiddebatte

SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf möchte dazu die BBG in der GKV weiter anheben. Anfang Juni 2025 hatte dies bereits der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Christos Pantazis, gefordert. Er schlug vor, die BBG der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) an das Niveau der
© SPD-FRAKTION
SPD -Generalsekretär Tim Klüssendorf
Rentenversicherung anzupassen - also von aktuell 5.512,50 Euro auf 8.050,00 Euro pro Monat zu erhöhen. Bei einem Zusatzbeitragssatz von 2,9 Prozent wäre damit ein Mehrbeitrag von 444,06 Euro pro Monat an die Kasse zu zahlen. Klüssendorf ergänzte dazu vor wenigen Tagen gegenüber der Bild am Sonntag: "Ich zahle den Maximalbeitrag und wäre in der Lage, auch mehr zu zahlen". Da Parlamentarierer in aller Regel nicht gesetzlich krankenversichert sind, hat unsere Redaktion Herrn Klüssendorf vor dem Hintergrund seiner Aussage am 26.06.2025 um Auskunft dazu gebeten, bei welcher Krankenkasse er den genannten Maximalbeitrag zahlt. Eine Antwort blieb bis heute aus. Was bleibt, ist ein unguter Beigeschmack. Der Vorschlag von Klüssendorf und Pantazis ist insbesondere zum Befeuern einer sozialen Neiddebatte geeignet, nicht aber für eine nachhaltige Finanzierung der GKV.

Höhere BBG wirkt wie ein Qualifikationsmalus

Angewendet wird die BBG ganz wesentlich auf das Arbeitsentgelt aus Beschäftigungen. Nur bei freiwilligen Mitgliedern können auch andere Einkunftsarten der Beitragspflicht unterliegen. Wird die BBG also um monatlich gut 2.500,00 Euro angehoben, sind davon insbesondere höherqualifizierte Fachkräfte und ihre Arbeitgeber betroffen. Ein Marktsegment, das in Deutschland von einem Mangel betroffen ist und deshalb um Attraktivität kämpft. Eine deutlich höhere Beitragslast trägt nicht dazu bei. Langfristig würden eher weniger als mehr Beschäftigungen mit hohen Entgelten entstehen. Hohe Entgelte werden jedoch im Solidaritätsprinzip der Sozialversicherung dringend benötigt. Die Anhebung der Lohnnebenkosten über die BBG wirkt damit nicht nur ganz direkt schädlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland, sondern fügt indirekt auch der darüber kurzfristig begünstigten Sozialversicherung nachhaltig Schaden zu.

SPD-Vorstoß ignoriert GKV-Fremdkosten

Würde die SPD nicht nur auf die "Besserverdiener" schauen, sondern auch auf den Staat selbst, ergäbe sich ein weitaus größeres und sozial wie finanziell gerechter umsetzbares Einsparvolumen für die GKV. Bereits im Jahr 2023 schlugen die versicherungsfremden Leistungen, die durch Krankenkassen und den Gesundheitsfonds getragen werden, mit knapp 60 Milliarden Euro zu Buche. Dies hat im Oktober 2024 das Leipziger Forschungsinstitut für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung, WIG2, errechnet (vgl. "Links zum Thema"). In Summe entspräche dies rund 2,5 Beitragssatzpunkten. Würde der Staat seiner Finanzverantwortung nachkommen und die von ihm an die Kassen übertragenen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben aus Steuergeldern tragen, könnten über geringere Kassenbeiträge auch die Lohnnebenkosten in Deutschland erheblich gesenkt werden. Im Gegensatz zur Anhebung der BBG würde diese Entlastung gleichzeitig wie ein Wirtschaftsbooster wirken und damit auch der Sozialversicherung nachhaltig zugutekommen.

Notwendig wäre hierbei jedoch finanzverantwortliches und nachhaltiges Regierungshandeln. Eine Latte, die Klüssendorf selbst mit einem SPD-Kollegen als Bundesfinanzminister offenbar zu hoch erscheint.
Union lehnt SPD-Pläne ab
CDU und CSU stehen den Plänen des Koalitionspartners ablehnend gegenüber. So erinnert Dennis Radtke, Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, gegenüber dem Handelsblatt daran, dass im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, eine weitere Belastung der Beitragszahler zu vermeiden. Laut Radtke träfe eine Erhöhung der BBG zudem die Falschen: "Die Leidtragenden wären diejenigen, die durch gute und faire Tarifverträge in der Industrie anständige Löhne verdienen". Es sei ideologisch und schädlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, wenn die hart arbeitende Mitte zusätzlich belastet werden würde, so Radtke. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann äußerte sich ablehnend zum Vorstoß Klüssendorfs. "Wir teilen diese Auffassung nicht", müssen aber in Bezug auf die Koalition "aushalten, dass es unterschiedliche Meinungen gibt".
Höhere Entgelte schon jetzt stärker belastet

Dem Vorschlag aus der SPD haftet ein weiterer Makel an. Was Klüssendorf und Pantazis nicht erwähnen, ist die schon jetzt höhere Belastung von "Besserverdienern" bis zur aktuellen BBG. Da die Einkommenssteuer einer Progression unterliegt, zahlen Beschäftigte mit höheren Einkommen in aller Regel überproportional mehr Steuern als Beschäftigte mit niedrigen Einkommen. Sie sind damit auch stärker am steuerfinanzierten Bundeszuschuss an die GKV beteiligt.

Eine weitere Zusatzbelastung ergibt sich aus den Regelungen für Midijobs (Übergangsbereich). Dieses innerhalb des Solidaritätsprinzips der GKV eingeführte Subsystem funktioniert so, dass niedrige Einkommen von Beiträgen entlastet werden und Arbeitgeber sowie Beschäftigte mit höheren Einkommen diese Lücke wieder schließen müssen. Auch hierbei handelt es sich um eine versicherungsfremde Leistung, da es ein gesamtgesellschaftliches Anliegen ist, die Beitragslast beim Einstieg in den Niedriglohnbereich abzusenken. Über eine adäquate und ordnungspolitisch richtige Finanzierung dieser Kosten aus Steuermitteln des Staates müssten höhere Einkommen in der GKV also zunächst entlastet und nicht belastet werden.


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