Vorläufige Finanzergebnisse 2022
Krankenkassen weisen Plus von 451 Millionen Euro aus
13.03.2023·Nach einem Defizit von 5,8 Milliarden Euro im Jahr 2021 haben die 96 gesetzlichen Krankenkassen für das Jahr 2022 einen moderaten Überschuss von rund 451 Millionen Euro ausgewiesen. Dies geht aus den vorläufigen Finanzergebnissen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hervor, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am Freitag in Berlin vorgestellt hat. Die Betriebskrankenkassen warnen, daraus falsche Schlüsse zu ziehen.
Weiter deutliche Reduzierung der Rücklagen
Die Finanzreserven der Krankenkassen schmolzen 2022 um weitere 0,6 Milliarden Euro auf 10,4 Milliarden Euro ab. Dies entspricht rund 0,4 Monatsausgaben. Das gesetzliche Mindestmaß für die Rücklage beträgt 0,2 Monatsausgaben. Seit Ende 2018 wurden die Rücklagen der Kassen damit um mehr als zehn Milliarden Euro abgebaut, davon alleine um 5,7 Milliarden Euro im Jahr 2021.
Stand der GKV-Rücklagen
31.12.2022: 10,4 Milliarden Euro
31.12.2021: 11,0 Milliarden Euro
30.09.2021: 13,6 Milliarden Euro
30.06.2021: 14,8 Milliarden Euro
31.12.2020: 16,7 Milliarden Euro
31.12.2019: 19,8 Milliarden Euro
30.09.2019: 20,6 Milliarden Euro
30.06.2019: 20,8 Milliarden Euro
31.12.2018: 21 Milliarden Euro
Unterschiedliche Finanzentwicklung nach Krankenkassenarten
Mit Ausnahme der Innungskrankenkassen (IKK), die ein Defizit in Höhe von 105,7 Millionen Euro erzielten, haben die übrigen Kassenarten Überschüsse erwirtschaftet. Die Überschüsse betrugen bei den Ersatzkassen (TK, Barmer, DAK, KKH, hkk, HEK) 349,3 Millionen Euro, bei den Betriebskrankenkassen (BKK) 113,7 Millionen Euro, bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse 49,0 Millionen Euro, bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) 23,2 Millionen Euro und bei der Knappschaft 21,9 Millionen Euro.
Der Gesundheitsfonds verzeichnete im Jahr 2022 einen Überschuss in Höhe von 4,3 Milliarden Euro. Die Liquiditätsreserve zum 16.01.2023 betrug rund 12,0 Milliarden Euro. Diese Entwicklung hängt nach Angaben des BMG maßgeblich damit zusammen, dass sich die GKV-Beitragseinnahmen mit einem Zuwachs von 4,4 Prozent deutlich besser entwickelt haben, als in der Prognose des Schätzerkreises von Oktober 2021 erwartet wurde. Durch die vom Gesetzgeber im vergangenen Jahr beschlossene Reduzierung der Obergrenze für die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds werden ca. 4,7 Milliarden Euro in die Einnahmen des Gesundheitsfonds überführt und für höhere Zuweisungen der Krankenkassen im Jahr 2023 genutzt.
Zur Bewältigung der Corona-Pandemie trug der Bund im Jahr 2022 einen Großteil der Ausgaben für pandemiebedingte Zahlungsverfahren, die aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds vorfinanziert werden. Hierunter fielen insbesondere Aufwendungen für Corona-Testungen und für Impfungen gegen COVID-19 im Rahmen der Coronavirus-Impf- und Testverordnung sowie Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser. Insgesamt wurden rund 21,4 Milliarden Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zur Verfügung gestellt und vom Bund refinanziert.
Entwicklungen bei den Ausgaben
Die Krankenkassen verzeichneten im Jahr 2022 bei einem Versichertenzuwachs von 0,5 Prozentpunkten einen absoluten Zuwachs der Leistungsausgaben und Verwaltungskosten von 4,4 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 4,3 Prozent, die Verwaltungskosten um 7,2 Prozent. Der sehr deutliche Anstieg der Verwaltungskosten ist maßgeblich auf die Bildung von hohen Altersrückstellungen einzelner Krankenkassen zurückzuführen, was den Jahresanstieg entsprechend beeinflusst hat.
Überproportional stark gestiegen sind die Ausgaben im Bereich der Schutzimpfungen (14,6 Prozent), bei den Fahrkosten (11,0 Prozent) sowie im Bereich der Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen (10,7 Prozent). Der Anstieg bei den Schutzimpfungen ist auf die Ausgaben für Impfstoffe und dabei vorrangig auf die Gruppe der Herpes-Zoster-Impfstoffe (Impfungen gegen Gürtelrose) zurückzuführen. Die Kosten für Corona-Impfstoffe fallen nicht darunter; diese wurden im Jahr 2022 vom Bund und nicht von den Krankenkassen finanziert.
Die Ausgaben für Heilmittel stiegen 2022 um 7,0 Prozent, was laut BMG auf Vergütungsanpassungen zum Beginn des Jahres und hohe unterjährige Preisabschlüsse des Vorjahres zurückzuführen ist. Mit einem Anstieg von 6,0 Prozent entwickelten sich die Ausgaben für Hilfsmittel etwas dynamischer als die Gesamtausgaben. Im Bereich Krankengeld entwickeln sich die Ausgaben mit 8,1 Prozent überdurchschnittlich. Dazu trägt auch der Anstieg der krankengeldberechtigten Mitglieder in Höhe von 1,1 Prozent bei. Die Aufwendungen für Kinderkrankengeld lagen mit rund 540 Millionen Euro auf dem Niveau des Vorjahreszeitraumes.
Der Anstieg der Arzneimittelausgaben lag mit 4,8 Prozent wie auch in den vergangenen Jahren über dem durchschnittlichen Anstieg der gesamten Leistungsausgaben. Dies entspricht einem Plus von rund 2,2 Milliarden Euro. Seit dem Jahranfang 2023 greifen im Bereich der Arzneimittelausgaben die Regelungen des GKV-FinStG, welche eine Verlangsamung der Ausgabendynamik in diesem Bereich bewirken sollen.
Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen sind nach dem vorläufigen Rechnungsergebnis für 2022 um 3,4 Prozent und damit weniger stark als der Durchschnitt der Leistungsausgaben gestiegen. Der Anstieg entspricht einem Plus von rund 1,5 Milliarden Euro. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass gesetzliche Korrekturmaßnahmen, welche ungewollte Doppelfinanzierungen für besondere ärztliche Leistungen nach dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) korrigieren, im 1. Halbjahr 2022 ausgabendämpfend wirkten.
Die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen sind mit einem Anstieg von 2,8 Prozent, was einem Plus von rund 2,3 Milliarden Euro entspricht, weniger stark als der Durchschnitt aller Leistungsausgaben gestiegen. Dies sei nach Einschätzung des BMG vorrangig auf eine weiterhin stagnierende oder gar rückläufige Mengenentwicklung zurückzuführen. Im Jahr 2020 wurden die Pflegepersonalkosten aus den DRG-Pauschalen ausgegliedert. Nach einem Anstieg von 13,9 Prozent im Jahr 2021 verbuchten die Krankenkassen im Jahr 2022 einen weiteren Ausgabenzuwachs von 10,0 Prozent.
Ausblick und Zusatzbeiträge
Bei den Rechnungsergebnissen ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen, insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten, von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten für den betrachteten Zeitraum häufig noch nicht oder nur teilweise vorliegen. Auch die Aufwendungen für das Pflegebudget im Krankenhaus sind aufgrund der für einen Teil der Krankenhäuser noch nicht vorliegenden Abschlüsse der Verhandlungspartner vor Ort teilweise von Schätzungen geprägt. Die endgültigen Finanzergebnisse der Krankenkassen für das Gesamtjahr 2022 werden ebenso wie die Daten des 1. Quartals 2023 Mitte Juni 2023 vorliegen.
Für das Jahr 2022 konnte der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz in der GKV noch durch die Zahlung eines ergänzenden Bundeszuschusses von 14 Milliarden Euro stabilisiert werden. Dieser Zuschuss entfällt ab 2023. Der vom BMG festgelegte durchschnittliche Zusatzbeitragssatz wurde in diesem Rahmen von 1,3 auf 1,6 Prozent angehoben. Ab Januar 2023 haben 66 Krankenkassen ihre individuellen Zusatzbeitragssätze erhöht, bei 25 Krankenkassen ist der Zusatzbeitragsatz unverändert geblieben. Vier Krankenkassen konnten ihren Zusatzbeitragssatz absenken (vgl. "Links zum Thema").
- Download der GKV-Finanzenergebnisse 2022 (extern, PDF, 353 KB)
- Lauterbach zum Milliarden-Defizit 2021: Krankenkassen stehen vor "großen finanziellen Herausforderungen"
- BKK Landesverband: Überschüsse der Krankenkassen trügen
- Inhalte des GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG)
- Zusatzbeiträge: Kassen beschließen Änderungen ab 2023
- Beitragsvergleich 2023: Liste aller Kassen mit Ersparnisrechner
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