Reform der Unabhängigen Patientenberatung (UPD)
Rechtsgutachten: Geplante Zwangsfinanzierung ist verfassungswidrig
25.11.2022·Die Unabhängige Patientenberatung (UPD) soll nach dem Willen der Bundesregierung ab 01.01.2024 verpflichtend von der gesetzlichen (GKV) und der privaten Krankenversicherung (PKV) bezahlt werden. Ein Gutachten kommt nun zum Schluss, dass diese Form der Zwangsfinanzierung gegen das Grundgesetz verstößt.
Autor des Rechtsgutachtens ist der Bonner Jurist Prof. Dr. Gregor Thüsing. Thüsing kam bereits in der Expertenanhörung zum Gesetzentwurf vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages zu Wort. Ebenfalls angehört wurden dort Vertreter der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung sowie von Patienten- und Verbraucherverbänden. In großer Mehrzahl, so der PKV-Verband, hätten diese gegenüber dem Ausschuss betont, dass es sich bei der Patientenberatung um eine gesamtgesellschaftliche und damit "versicherungsfremde" Leistung handele. Die Finanzierung dieser müsse dementsprechend aus Steuermitteln erfolgen.
Hinsichtlich der GKV stellt Thüsing unter anderem auf die engen Grenzen des Transfers von Beitragsgeldern ab. Diese habe auch das Bundessozialgericht (BSG) in seinem jüngsten Urteil zur GKV-Finanzierung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hervorgehoben. Die Legitimation erstrecke sich grundsätzlich nicht auf die Finanzierung von Leistungen an Dritte außerhalb der Sozialversicherung. Daher fehle dem Bund im Hinblick auf die GKV von vornherein die Gesetzgebungskompetenz. Eine Finanzierungsverpflichtung der PKV erfülle als Sonderabgabe ebenfalls nicht die strengen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen: Es sei nicht ersichtlich, warum eine besondere Finanzierungsverantwortung der Abgabenpflichtigen bestehen soll - denn die PKV sei nicht verantwortlich für die Finanzierung von Kosten, die durch Patientenberatung auch zugunsten von GKV-Versicherten entstehen, so das Gutachten.
Durchgeführt hatte das Vergabeverfahren der GKV-Spitzenverband. In der Kritik stand schon damals, dass wichtige inhaltliche Punkte bei der Ausschreibung nicht berücksichtigt gewesen seien. Nachdem die Vergabekammer in Bonn dem Verfahren jedoch die "formale Korrektheit" attestierte, erteilte der GKV-Spitzenverband den Zuschlag an die Sanvartis GmbH. Vertreter aus Politik sowie von Sozial- und Verbraucherverbänden bedauerten die Vergabeentscheidung als gegen die Interessen der Patienten gewandt, die SPD Berlin sprach gar von einer "schlimmen Fehlentscheidung" (vgl. "Links zum Thema"). Die Zweifel an der Unabhängigkeit der UPD blieben bestehen und flammten 2018 erneut auf, als die Sanvartis GmbH an die Carfeforce Sanvartis Holding GmbH verkauft wurde. Das Thema erreichte auch den Bundestag, dem die Bundesregierung in Folge erklärte, dass sie keinen Handlungsbedarf sehe (vgl. "Links zum Thema").
2020 nahm sich der Bundesrechnungshof (BRH) dem Thema an. Dem GKV-Spitzenverband warf er in seinem Bericht vor, bei der Ausschreibung im Jahr 2015 versäumt zu haben, leistungsbezogene Anreize mit der Fördersumme zu verbinden. Die neun Millionen Euro pro Jahr würden damit unabhängig vom Erreichen der in Aussicht gestellten Leistungswerte der UPD gezahlt. Der BRH hatte die UPD bereits 2018 massiv für die Qualität des Online-Angebotes kritisiert, welche daraufhin ein umfangreiches Maßnahmenpaket angekündigt hatte (vgl. "Links zum Thema"). Im 2020er Bericht kritisierte der BRH darüber hinaus insbesondere die hinter den Erwartungen zurückgebliebene Beratungsquantität bei gleichbleibend hohen Kosten sowie die Intransparenz bei der Verwendung der Mittel.
Die PKV sieht sich durch das Gutachten in ihrer Ablehnung einer Zahlungsverpflichtung bestärkt. Dies heiße jedoch nicht, so ihr Verband, dass sie ihre Unterstützung der UPD als Teil ihres gesamtgesellschaftlichen Engagements grundsätzlich einstellen will. Bereits seit 2011 beteilige sich die PKV freiwillig an der Finanzierung der UPD und wirke im UPD-Beirat stimmberechtigt mit. Dazu wurde 2015 der PKV-Fördervertrag mit der damals neu gegründeten UPD gGmbH geschlossen, welcher verbindlich von 2016 bis 2022 gelte. Zur vorgesehenen Verlängerung der Tätigkeit der UPD gGmbH um 12 Monate hat der PKV-Verband seine Bereitschaft erklärt.
- PKV: Experten mehrheitlich für Steuerfinanzierung der UPD
- Gutachten zur geplanten Zwangsfinanzierung (PDF, 384 KB)
- Breite Kritik: Experten für Reform der UPD (inkl. BRH-Bericht)
- Parteien und Verbände kritisieren Vergabeverfahren für UPD
- UPD: Vergabeverfahren laut SPD Berlin "schlimme Fehlentscheidung"
- Millionen-Etat für UPD - Kritiker bezweifeln Unabhängigkeit
- Nach BRH-Kritik: UPD kündigt umfangreiches Maßnahmenpaket an
- Neuer UPD-Eigentümer: Regierung sieht Unabhängigkeit nicht bedroht
- Mitteilungen der Unabhängigen Patientenberatung (UPD)
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