Nationale Pharmastrategie

Bundestag beschließt Medizinforschungsgesetz

05.07.2024·Der Bundestag hat am Donnerstag (04.07.2024) das "Medizinforschungsgesetz" (MFG) beschlossen. Ziel des Gesetzes ist, die Rahmenbedingungen für die Entwicklung, Zulassung und Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten in Deutschland zu verbessern und neue Forschungsanreize zu setzen. Die Krankenkassen kritisieren das Gesetz als staatliche Wirtschaftsförderung zu Lasten der Beitragszahlenden in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Mit dem Medizinforschungsgesetz werden laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) wesentliche Teile der Pharmastrategie der Bundesregierung (vgl. "Links zum Thema") umgesetzt. Demnach soll Deutschland als Forschungs- und Produktionsstandort für die Pharmabranche attraktiver werden. Verbessert werden sollen dabei insbesondere auch die Rahmenbedingungen für innovative medizinische Forschung, um neue Therapien für Patienten nutzbar zu machen.

Die Gesetzesinhalte im Einzelnen:

Die Zulassung von Arzneimitteln und die Genehmigung und Durchführung klinischer Prüfungen werden vereinfacht und beschleunigt. Dafür wird die Zusammenarbeit der Arzneimittelzulassungsbehörden optimiert, eine Spezialisierung und Harmonisierung der Ethik-Kommissionen ermöglicht, und die Grundlage für verbindliche Standardvertragsklauseln geschaffen. Bei klinischen Prüfungen, die nur in Deutschland durchgeführt werden, wird die Bearbeitungszeit auf 26 Tage verkürzt.

Ergänzt wurde der Gesetzentwurf um eine Regelung zur Förderung akademischer Studien, eine Spiegelung der Regelungen im Arzneimittelrecht im Medizinprodukterecht sowie die Anerkennung von Drittlandinspektionen, insbesondere in China.

Die Verhandlungsspielräume für Arzneimittelpreise werden vergrößert, mit dem Ziel, diese zu senken. Dafür erhalten pharmazeutische Unternehmer befristet bis zum 30.06.2028 die Möglichkeit, "vertrauliche Erstattungsbeträge" bei neuen Arzneimitteln zu vereinbaren. Dies kann erst im Nachgang zur Erstattungsbetragsvereinbarung oder Festsetzung gewählt werden und führt zwingend zu einem Preisnachlass von 9 Prozent und auch nur dann, wenn der pharmazeutische Unternehmer eine Arzneimittelforschungsabteilung und relevante eigene Projekte und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in präklinischer oder klinischer Arzneimittelforschung in Deutschland nachweisen kann. Diese Regelung soll Ende 2026 evaluiert werden. Gleichzeitig werden Informationen zur Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln mit vertraulichem Erstattungsbetrag Pflichtbestandteil der von den Vertragsärzten für die Verordnung zu nutzenden elektronischen Programme. So soll die wirtschaftliche Verordnung von Arzneimitteln weiterhin sichergestellt werden.

Forschungsanreize: Für Arzneimittel mit einem relevanten Anteil klinischer Prüfungen in Deutschland werden Spielräume für die Erstattungsbetragsverhandlungen ("Leitplanken" aus dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz) wieder eröffnet. Dafür müssen mindestens fünf Prozent der Probanden aus der Zulassungsstudie an der klinischen Studie in Deutschland teilgenommen haben. Das gilt für drei Jahre, es sei denn der pharmazeutische Unternehmer weist eine Arzneimittelforschungsabteilung und relevante eigene Projekte und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in präklinischer oder klinischer Arzneimittelforschung in Deutschland nach.

Kritik an geheimen Erstattungsbeträgen

Mit Blick auf die "vertraulichen Erstattungsbeträge" kritisiert der GKV-Spitzenverband, dass erst 2022 eingeführte Regelungen ("AMNOG-Leitplanken"), die vor überhöhten Preisen für patentgeschützte Medikamente ohne ausreichenden Zusatznutzen schützen sollen, wieder gestrichen werden. Damit würden Einsparungen und Nutzenorientierung gegen Wirtschaftsförderung ausgetauscht. Es sei das ausdrückliche Ziel der Bundesregierung, durch diese gesetzlichen Änderungen den Pharmaunternehmen bessere Marktbedingungen zu ermöglichen und damit den Wirtschafts- und Pharmastandort Deutschland zu stärken: "Wir haben nichts gegen eine staatliche Wirtschaftsförderung. Aber wir lehnen es ab, dass sich die Bundesregierung diese Förderung aus den Beitragsmitteln der GKV finanzieren lässt", erklärt Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes.

Vor einem "enorm steigenden Regressrisiko" für niedergelassene Ärzte warnt der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Im Zuge der "vertraulichen Erstattungsbeträge" sollen Informationen und Hinweise in die Verordnungssoftware aufgenommen werden, anhand derer der Arzt die Wirtschaftlichkeit des Arzneimittels - dessen Preis er ja nicht kennt - einschätzen soll. Ein solches Vorhaben sei realitätsfern und belaste einseitig die Praxen mit einem höheren Regressrisiko und zusätzlichem bürokratischen Aufwand.

Omnibusregelung für Kliniken sei realitätsfern

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) beanstandet, dass eine neu ins MFG aufgenommene Regelung vorsehe, dass Daten zum ärztlichen Personal künftig von den Krankenhäusern auch gegliedert nach den Leistungsgruppen übermittelt werden müssen. Ursprünglich sei eine ähnliche Regelung im Krankenhaustransparenzgesetz vorgesehen gewesen, jedoch aufgrund massiver Kritik an der dadurch steigenden Bürokratielast nicht aufgenommen worden. "Die vorgesehene Verpflichtung der Krankenhäuser, die ärztlichen Tätigkeiten prozentual auf die Leistungsgruppen zu verteilen, ist mit modernen Formen der Teamarbeit verschiedener Berufsgruppen und medizinischen Fachdisziplinen nicht zu vereinbaren. Der administrative Aufwand einer detaillierten zeitlichen Zuordnung ärztlicher Arbeit zu Leistungsgruppen ist völlig unverhältnismäßig und steht in klarem Widerspruch zum Versprechen der Regierungskoalition und des Bundesgesundheitsministers, die bürokratische Belastung der Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus abzubauen", so MB-Chefin Dr. Susanne Johna.


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