Medizinische Notfall- und Akutversorgung

Regierungskommission legt Vorschläge für Reform vor

14.02.2023·Bei medizinischen Notfällen sollen Patienten in Krankenhäusern künftig schneller und effektiver versorgt werden. Dafür sollen flächendeckend integrierte Notfallzentren (INZ) sowie integrierte Leitstellen (ILS) aufgebaut werden. Das empfiehlt die "Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung".

Es komme darauf an, dass die Notfall- und Akutversorgung rund um die Uhr in der Lage ist, Hilfesuchende unmittelbar zielgerichtet zur richtigen Versorgung zu steuern, heißt es in der Stellungnahme unter dem Titel "Reform der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland - Integrierte Notfallzentren und Integrierte Leitstellen". Die Vorschläge der Regierungskommission im Einzelnen:

1. Flächendeckender Aufbau von integrierten Leitstellen (ILS)

Hilfesuchende, die sich in einem Notfall an den Rettungsdienst (112) oder an den kassenärztlichen Notdienst (116117) wenden, sollen initial durch eine integrierte Leitstelle nach telefonischer oder telemedizinischer Ersteinschätzung der für sie am besten geeigneten Notfallstruktur zugewiesen werden.
Aufgrund unmittelbarer Erreichbarkeit rund um die Uhr, guter medizinischer Beratung und telemedizinischer ärztlicher Hilfe sowie verbindlicher Terminvermittlung sollen ILS für Betroffene so attraktiv sein, dass sie primäre Anlaufstelle in medizinischen Notfällen werden.
Durch von medizinisch qualifizierten Fachkräften in den ILS vorgenommene standardisierte, wissenschaftlich validierte, softwaregestützte und qualitätsgesicherte Ersteinschätzung soll eine Über- oder Unterversorgung von Notfällen verhindert werden. Notaufnahmen in Krankenhäusern sollen dabei möglichst nur von Hilfesuchenden genutzt werden, die diese komplexen Strukturen wirklich benötigen.

2. Aufbau von integrierten Notfallzentren (INZ) an Krankenhäusern der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung

INZ sollen aus einer Notaufnahme des Krankenhauses, einer KV-Notfallpraxis sowie einem "Tresen" als zentrale Entscheidungsstelle bestehen.
Durch den Aufbau von INZ an Krankenhäusern der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung (insgesamt derzeit rund 420 in Deutschland) sollen Patienten über eine bedarfsgerechte Steuerung den richtigen Strukturen zugewiesen werden - entweder in die Notaufnahme des Krankenhauses oder die Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV).
Die Beteiligung sowohl der KVen als auch der Krankenhäuser am INZ ist verpflichtend. Damit ist sichergestellt, dass die Lasten gleich verteilt werden.
Zudem sollen integrierte Notfallzentren für Kinder- und Jugendmedizin (KINZ) an Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin sowie Krankenhäusern mit einer pädiatrischen Abteilung aufgebaut werden.

Hintergrund: Kommission
Die "Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung" wurde im Koalitionsvertrag vereinbart und im Mai 2022 eingerichtet, um notwendige Reformen im Krankenhausbereich anzugehen. Auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) finden Sie einen Überblick zu allen Empfehlungen der Regierungskommission und ihren Mitgliedern.

AOK: INZ sollten eigene Organisationseinheiten werden

Grundsätzlicher Zuspruch zum Vorschlag kam vom AOK-Bundesverband. Wichtig sei, so Verbandschefin Dr. Carola Reimann, dass die sektorale Trennung im Bereich der Notfall- und Akutversorgung überwunden werde. Die Patienten bräuchten "endlich eine zentrale Anlaufstelle und eine Notfallversorgung aus einer Hand". Mit der Schaffung von Integrierten Leitstellen und der Bündelung der Notfallversorgung in Integrierten Notfallzentren zeige die Reformkommission den richtigen Weg auf. Allerdings sollten die Integrierten Notfallzentren aus Sicht der AOK als eigenständige Organisationseinheiten verankert werden. Die jeweils richtige Versorgungsebene solle damit ohne ökonomische Beeinflussung und nach medizinischen Kriterien erfolgen. Dazu gehöre auch ein eigenständiges Budget mit einem neuen Entgeltsystem, so Reimann.

Ärzte kritisieren teils unrealistische Vorschläge

Kritik an den Vorschlägen der Reformkommission kommt von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Zwar seien einige brauchbare Ansätze dabei, vieles erscheine aber unrealistisch. "So sollen Notdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) in den Integrierten Notfallzentren (INZ) mit werktäglichen Öffnungszeiten von 14-22 Uhr tätig sein. Wann sollen die Kolleginnen und Kollegen dann noch in ihren eigenen Praxen arbeiten?", fragte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. "Das Ganze wirkt eher wie ein ´Krankenhaus, wünsch dir was´", so KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. Es lasse sich kaum eine Praxis betreiben, wenn man parallel noch regelhaft häufig Notdienste machen müsse. Beide Vorstände merkten zudem an, dass die Rolle des Patienten als Auslöser der Inanspruchnahme notärztlicher Leistungen komplett außen vor bleibe und überhaupt nicht beleuchtet werde.


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