Kritik an Fehlfinanzierung

Bundestag beschließt umstrittene Krankenhausreform

18.10.2024·Der Bundestag hat am 17.10.2024 das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) beschlossen. Mit dem Gesetz soll die Behandlungsqualität in Klinken verbessert und die flächendeckende medizinische Versorgung gestärkt werden. Ziel ist auch der Einstieg in eine sektorenübergreifende und integrierte Gesundheitsversorgung mit weniger Bürokratie und ökonomischer Entlastung für die Kliniken. Die Krankenkassen kritisieren die Finanzierung der Reform. Sie entziehe den Beitragszahlern 25 Milliarden Euro, die als Daseinsvorsorge des Staates klar aus Steuergeldern finanziert werden müssten.

Mit dem Gesetz wird die Finanzierung der stationären Versorgung grundlegend verändert. Durch die Einführung einer Vorhaltevergütung soll die Vorhaltung von bedarfsnotwendigen Krankenhäusern künftig weitgehend unabhängig von der Leistungserbringung zu einem relevanten Anteil gesichert werden. Die Vorhaltevergütung sollen Krankenhäuser für die Leistungsgruppen erhalten, die ihnen durch die Planungsbehörden der Länder zugewiesen wurden. Dies setzt voraus, dass die Krankenhäuser die bundeseinheitlichen Qualitätskriterien erfüllen. Weil dies mit einem Verlust an Planungshoheit der Länder verbunden ist, haben diese bereits ihren Widerstand im Bundesrat angekündigt.

Kritik: Finanzierung in großen Teilen verfassungswidrig

Um die strukturellen Veränderungen der Krankenhäuser zu finanzieren, sieht die Reform einen Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro vor. Trotz massiver Kritik und Bedenken von Verfassungsexperten, Bundesrechnungshof, Bundesrat und Krankenkassen sehe der aktuelle Gesetzentwurf weiterhin vor, dass die Finanzierung des Fonds zur Hälfte mit Beitragsmitteln der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erfolgen soll, kritisiert der Dachverband der Betriebskrankenkassen. Ein unabhängiges Rechtsgutachten bestätige bereits, dass die vorgesehene Mittelverwendung nicht mit der Verfassung vereinbar sei. Es sei schlicht nicht hinnehmbar, dass angesichts der prekären Finanzlage der GKV (vgl. Box "Stellungnahmen") im großen Umfang auf Beitragsmittel zurückgegriffen werden soll, um die Finanzierungsverpflichtungen der Länder zu erfüllen".

Absolutes Unverständnis für die Finanzierung des Krankenhausumbaus herrscht auch bei der Techniker Krankenkasse TK: "Investitionen - und dazu gehören sowohl Neu- als auch Umbauten im Rahmen der Reform - sind glasklar eine Länderaufgabe. Es ist ein deutlicher Verstoß gegen die Grundsätze der Krankenhausfinanzierung, dass die Koalition in die Kassen der GKV-Beitragszahlenden greift und daraus 25 Milliarden Euro für den Klinikumbau ausgibt, für den die Beitragszahler gar nicht zuständig sind. Zudem ist es unfair, ungerecht und absolut unsozial, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Umstrukturierung der Krankenhäuser für die PKV mitbezahlen sollen. Die Vorstellung, dass die PKV sich freiwillig mit Milliardenbeträgen an dem Umbau der Kliniken beteiligt, ist reines Wunschdenken", so Vorstandschef Dr. Jens Baas. Auch der GKV-Spitzenverband hält den Transformationsfonds in großen Teilen für verfassungswidrig (vgl. Box "Stellungnahmen").

Vor dem Hintergrund, dass die Politik die Kosten für gesamtgesellschaftliche Aufgaben zunehmend auf die Beitragszahlenden der GKV abwälzt, fordert Prof. Dr. Rainer Schlegel, Präsident des Bundessozialgerichts a. D., eine rechtliche Stärkung der Krankenkassen. Sie müssten Krankenkassen die Befugnis erhalten, vor dem Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit gesetzgeberischer Maßnahmen prüfen zu lassen, wenn die Möglichkeit einer Zweckentfremdung von Beitragsmitteln im Raum stehe. Mehr hierzu unter "Links zum Thema" ("IKKn fordern rechtliche Stärkung der Krankenkassen").

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) übt weiter Kritik an der Ausgestaltung der Krankenhausreform und am Gesetzgebungsverfahren. Neben der Finanzierung, die das Ziel der wirtschaftlichen Stabilisierung der Kliniken verfehle, gefährde der Gesetzgebungsprozess ohne eine Folgenabschätzung massiv die Patientenversorgung (vgl. Box "Stellungnahmen").

Inhalte der Krankenhausreform

Was ändert sich für Patientinnen und Patienten?

Die mit der Krankenhausreform vorgesehene Einführung von Leistungsgruppen mit bundeseinheitlichen Qualitätskriterien zielt darauf ab, dass Leistungen künftig nur in solchen Krankenhäusern erbracht werden, die über das dafür notwenige Personal, eine adäquate apparative Ausstattung sowie erforderliche Fachdisziplinen zur Vor-, Mit- und Nachbehandlung verfügen. Das verbessert die Behandlungsqualität in Klinken.

Besonders in ländlichen Gebieten stehen manche Patienten vor dem Problem, keinen Facharzt zu finden. Sie müssen weite Wege fahren für Spezialuntersuchungen. In Gebieten, in denen Facharztsitze unbesetzt sind, sollen künftig sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (Level 1i-Krankenhäuser) und Sicherstellungskrankenhäuser fachärztliche Leistungen anbieten können. Statt zum niedergelassenen Facharzt können Patienten ins Krankenhaus. Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen können dort, wo Hausärzte fehlen, auch allgemeinmedizinische Behandlungen anbieten. Die Klinik wird dafür innerhalb des KV-Systems wie eine Praxis bezahlt.

Kinder und Jugendliche mit schweren Erkrankungen sollen künftig ohne vorherige Überweisung, auch in Kinderkliniken und pädiatrischen Abteilungen ambulant versorgt werden können. Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen legt Einzelheiten zur betreffenden Patientengruppe fest.

Was ändert sich für die Krankenhäuser?

Für die Krankenhäuser wird der ökonomische Druck verringert: Durch eine Vorhaltevergütung sollen bedarfsnotwendige Krankenhäuser, deren Leistungen vorher fast ausschließlich mit DRG-Fallpauschalen vergütet wurden, künftig weitgehend unabhängig von der Leistungserbringung zu einem relevanten Anteil gesichert werden.

Die Kosten von Tarifsteigerungen und weiteren Kostensteigerungen der Krankenhäuser (Orientierungswert) werden ab 2024 voll refinanziert.

Für die stationäre Behandlung von Kindern erhalten Krankenhäuser künftig die volle Fallpauschale, auch wenn der junge Patient kürzer im Krankenhaus bleibt, als eingangs diagnostiziert. Die jährlichen Zuschläge von 300 Millionen Euro für pädiatrische Einrichtungen werden verstetigt.

Für Stroke Units, Traumatologie, Pädiatrie, Geburtshilfe, Intensivmedizin, Koordinierungsaufgaben, Unikliniken und Notfallversorgung werden zusätzliche Mittel gewährt.

Um die Qualität der Versorgung zu verbessern, werden künftig Leistungen der Krankenhausbehandlung in zunächst 65 Leistungsgruppen (LG) eingeteilt, für die jeweils Qualitätskriterien als Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität festgelegt werden.

Die Zuständigkeit und Verantwortung der Länder für die Krankenhausplanung bleiben unberührt. Sie entscheiden, welches Krankenhaus welche Leistungsgruppen anbieten soll.

Voraussetzung für die Zuweisung von Leistungsgruppen ist die Erfüllung von bundeseinheitlichen Qualitätskriterien.

Die Erfüllung der Qualitätskriterien ist unter bestimmten Voraussetzungen auch im Rahmen von Kooperationen und Verbünden zulässig.
Zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung sind Ausnahmeregelungen vorgesehen, die für bedarfsnotwendige Krankenhäuser in ländlichen Räumen sogar unbefristet gelten können. Ein Krankenhaus, das notwendig für die Versorgung auf dem Land ist, muss also keine Abteilung schließen, weil ein Facharzt fehlt. Dennoch sind auch sogenannte Sicherstellungshäuser zur Qualitätssteigerung verpflichtet. Die bereits bestehenden Zuschläge für diese Krankenhäuser werden zudem erhöht.

Die schnelle Erreichbarkeit von Kliniken bleibt gesichert. Die Ausnahmen von der Erfüllung der Qualitätskriterien können Krankenhäusern gewährt werden, wenn ein Krankenhaus nicht innerhalb einer gesetzlich festgelegten Entfernung zu erreichen ist.

Die wohnortnahe Grundversorgung bleibt gesichert. Durch sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (Level 1i) werden zusätzlich zu den bedarfsnotwendigen Krankenhäusern im ländlichen Raum (die einen Zuschlag erhalten) wohnortnah stationäre Krankenhausbehandlungen mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbunden. Diese Einrichtungen können eine wohnortnahe medizinische Grundversorgung durch eine Bündelung interdisziplinärer und interprofessioneller Leistungen sicherstellen.

Ein Transformationsfonds wird die notwendigen finanziellen Ressourcen bereitstellen, um die strukturellen Veränderungen zu fördern. Über 10 Jahre werden dafür insgesamt bis zu 50 Mrd. Euro bereitgestellt.

Um die Attraktivität des Krankenhauses als Arbeitsplatz für Ärztinnen und Ärzte zu steigern und die Behandlungsqualität zu fördern, wird eine ärztliche Personalbemessung eingeführt. Hierzu soll in Abstimmung mit Bundesärztekammer (BÄK) und BMG zunächst ein Personalbemessungsinstrument wissenschaftlich erprobt werden. Um die Notwendigkeit eines Personalbemessungsinstruments für weitere Berufsgruppen (etwa Hebammen oder Physiotherapeuten) zu prüfen, soll eine Kommission eingesetzt werden.

Um den Verwaltungsaufwand der Krankenhäuser zu verringern, erfolgen Maßnahmen zur Entbürokratisierung. So werden Prüfverfahren harmonisiert und vereinfacht. Die Prüfintervalle für Strukturprüfungen werden auf drei Jahre verlängert. Auch bei anlassbezogenen Einzelfallprüfungen wird der bürokratische Aufwand reduziert. Pflegeentlastende Maßnahmen werden pauschal anerkannt. Der Fixkostendegressionsabschlag wird abgeschafft.

Inkrafttreten soll die Reform zum 01.01.2025. Bis Ende 2026 können die Länder ihren Kliniken Leistungsgruppen zuweisen. 2027-28 wird das Finanzsystem langsam schrittweise umgestellt. 2029 soll der Prozess abgeschlossen sein.


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