Gesetzliche Regelung gefordert
Lieferprobleme: Festbeträge für 180 Kinder-Arzneimittel vorerst ausgesetzt
11.01.2023·Der GKV-Spitzenverband hat die Aussetzung der Festbeträge für Kinder-Arzneimittel beschlossen, die aktuell von Lieferengpässen betroffen sind. Dies teilte der Verband am 10.01.2023 in Berlin mit. Der damit beschlossene Verzicht auf die preislichen Obergrenzen für insgesamt 180 Arzneimittel folgt einer Bitte von Bundesgesundheitminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) aus Dezember 2022.
Nach der Ankündigung eines Gesetzentwurfs bis Weihnachten 2022 hatte Lauterbach den GKV-Spitzenverband mit Schreiben vom 20.12.2022 darum gebeten, bestimmte Festbeträge für Kinder-Arzneimittel umgehend zu überprüfen und anzupassen, vorzugsweise aufzuheben. Hierzu schlug der GKV-Spitzenverband dem Minister am 23.12.2022 die nun umgesetzte Verfahrensweise zur befristeten Aussetzung von Festbeträgen für Kinder-Arzneimittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen, Paracetamol und Antibiotika vor. Diesem Vorschlag stimmte das von Lauterbach geführte Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu.
Mit Blick auf die aktuell eingetretene Notlage fordert der GKV-Spitzenverband den Gesetzgeber gleichzeitig auf, die bestehenden Lieferprobleme strukturell anzugehen. Die Aussetzung der Festbeträge bis einschließlich April 2023 ermögliche der Pharmaindustrie höhere Preise und soll die Abgabe betroffener Arzneimittel in Deutschland kurzfristig attraktiver als bisher machen. Eine nachhaltige Lösung biete die Aussetzung jedoch nicht. Der Verband warnt vor der Annahme, "dass internationale Pharmakonzerne ihre globalen Produktionsstandorte und Lieferprozesse nur ändern, weil gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland künftig mit ihren Krankenkassenbeiträgen höhere Medikamentenpreise bezahlen müssen". Die Pharmaindustrie erhalte durch die Aussetzung Zeit, bestehende Produktions- und Lieferprobleme zu lösen. Für das künftige Vorgehen wolle der Verband genau beobachten, wie die Aussetzung der Festbeträge wirke.
Pharmahersteller äußern Zweifel
Der Geschäftsführer von Pro Generika, Bork Bretthauer, äußerte bereits Zweifel an der Aussetzung der Festbeträge. Als "Geste" werde sie "das Problem der Engpässe kurzfristig nicht lösen", so Bretthauer gegenüber dem Branchendienst Apotheke Adhoc. "Denn: Woher sollen die Fiebersäfte plötzlich kommen? Unsere Unternehmen produzieren derzeit rund um die Uhr. Es gibt keine Ware, die kurzfristig auf den Markt kommen könnten, nur weil sich der Preis für drei Monate erhöht. Kurzfristig ist für die letzten verbliebenen Hersteller keine Mehrproduktion möglich, so dass innerhalb weniger Monate keine Entspannung der Lage eintreten kann." Bretthauer betont, dass es langfristige Anreize für Pharmaunternehmen bedürfe, damit diese sich erneut an der Produktion von Kinderarzneimitteln beteiligten. Das vom BMG angekündigte Gesetz müsse zudem beinhalten, dass auch andere - rein auf Preisreduzierung abzielende - Regelungen wie z. B. das Preismoratorium ausgesetzt werden. Nur so kämen Preiserhöhungen auch wirklich bei den Unternehmen an.
Auch Dr. Hans-Georg Feldmeier, Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), hält eine Lösung des Problems nur langfristig für möglich. Das System sei "kaputtgespart" worden und könne "nicht per Schnellschuss geheilt werden". Eine Reform des Festbetragssystems hält auch der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller für notwendig. Über Jahre immer weiter abgesenkte Festbeträge hätten entsprechend negative Auswirkungen auf die Versorgung und seien mit ursächlich für die bestehenden Lieferengpässe.
Lauterbach selbstkritisch zur "Discounter-Politik"
Vor dem Hintergrund der kritischen Versorgungssituation von Kindern in Krankenhäusern und Praxen hatte Lauterbach noch am 17.12.2022 einen Gesetzentwurf mit gegensteuernden Maßnahmen bis Weihnachten 2022 angekündigt. Anders als angekündigt, legte er dann am 20.12.2022 lediglich Eckpunkte für ein solches Gesetz vor (vgl. "Links zum Thema"). Dabei kritisierte er die bisherige "Discounter-Politik". "Wir haben es mit der Ökonomisierung auch in der Arzneimittelversorgung mit patentfreien Medikamenten übertrieben. Besonders bei Kinderarzneimitteln spüren wir die Konsequenzen gerade besonders hart. Dass man in Deutschland nur schwer einen Fiebersaft für sein Kind bekommt, der im Ausland noch erhältlich ist, ist inakzeptabel", so Lauterbach. Wann er den Gesetzentwurf vorlegen wird, lies der Minister allerdings offen.
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