GKV-Finanzergebnisse für 2024

Krankenkassen verbuchen Rekorddefizit von 6,2 Milliarden Euro

08.03.2025·Die gesetzlichen Krankenkassen haben das Jahr 2024 mit einem Minus von rund 6,2 Milliarden Euro abgeschlossen. Damit ist das Defizit alleine im 4. Quartal gegenüber den ersten neun Monaten (Defizit: 3,7 Milliarden Euro) nochmals um knapp 70 Prozent und insgesamt gegenüber dem Vorjahr (2023: 1,9 Milliarden Euro) um gut 220 Prozent gestiegen. Gleichzeitig wird die gesetzliche Mindestreserve der Kassen erneut und immer deutlicher unterschritten. Dies geht aus den vorläufigen Finanzergebnissen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für das Jahr 2024 hervor, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am Freitag in Berlin veröffentlicht hat.

Den Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 320,6 Milliarden Euro standen Ausgaben in Höhe von 326,9 Milliarden Euro gegenüber. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,3 Prozent einen Zuwachs von 7,7 Prozent. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz lag nach unterjährigen Anhebungen der Zusatzbeitragssätze zum Jahresende 2024 mit 1,82 Prozent oberhalb des Ende Oktober 2023 vom BMG für das Jahr 2024 festgelegten durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes von 1,7 Prozent (vgl. "Links zum Thema").

GKV-Rücklagen unter gesetzlicher Mindesthöhe

Die Finanzreserven der Krankenkassen betrugen zum Jahresende 2024 noch 2,1 Milliarden Euro bzw. rund 0,08 Monatsausgaben und lagen damit deutlich unter der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve von 0,2 Monatsausgaben. Bereits zum Ende des 3. Quartals wurde die Mindestrücklage mit 0,17 Monatsausgaben unterschritten. Ein Abbau von Sicherheitsreserven mit System. Seit Ende 2018 wurden die Rücklagen der Kassen unter den Gesundheitsministern Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) um insgesamt rund 18,9 Milliarden Euro abgebaut. Gleichzeitig mussten die Beitragssätze der Kassen auf das aktuelle Rekordniveau von bis zu 19,0 Prozent (enthaltener Zusatzbeitragssatz: 4,40 Prozent) angehoben werden.

Stand der GKV-Rücklagen
31.12.2024: 2,1 Milliarden Euro (unter Mindestreserve)
30.09.2024: 4,7 Milliarden Euro (unter Mindestreserve)
30.06.2024: 6,2 Milliarden Euro
31.03.2024: 7,6 Milliarden Euro
31.12.2023: 8,4 Milliarden Euro
31.12.2022: 10,4 Milliarden Euro
31.12.2021: 11,0 Milliarden Euro
31.12.2020: 16,7 Milliarden Euro
31.12.2019: 19,8 Milliarden Euro
31.12.2018: 21 Milliarden Euro

Bundesgesundheitsminister Lauterbach sieht als Grund für das hohe Defizit der Kassen fehlende Reformen in der vergangenen Legislaturperiode unter der Zuständigkeit von Jens Spahn. Eigene Fehler räumt er nicht ein. Doch gerade unter Lauterbach haben sich die Kosten für versicherungsfremde Leistungen weiter manifestiert (z. B. Beiträge für Bürgergeldempfänger in Höhe von rd. 10 Milliarden Euro pro Jahr) und perspektivisch um weitere Milliarden erhöht (insbesondere Strukturfonds für Krankenhausreform in Höhe von 25 Milliarden Euro). Die Beitragszahler der GKV subventionieren damit über immer höhere Beitragssätze den Bundeshaushalt jährlich mit einem hohen zweistelligen Milliardenbetrag (vgl. "Links zum Thema").

Unterschiedliche Entwicklung nach Krankenkassenarten

Alle Kassenarten wiesen im Jahr 2024 Defizite aus. Es betrug bei den Ersatzkassen (TK, Barmer, DAK, KKH, hkk, HEK) 2,5 Milliarden Euro, bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) 1,6 Milliarden Euro, bei den Betriebskrankenkassen (BKK) 1,4 Milliarden Euro, bei den Innungskrankenkassen (IKK) 662 Millionen Euro, bei der Knappschaft 99 Millionen Euro und bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse 22 Millionen Euro.

Ergebnis des Gesundheitsfonds

Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15.01.2025 über eine Liquiditätsreserve von rund 5,7 Milliarden Euro verfügte (Vorjahr: 9,4 Milliarden Euro), verzeichnete im Jahr 2024 ein Defizit in Höhe von 3,7 Milliarden Euro. Dieses, so das BMG, resultiere maßgeblich aus einer Regelung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG): Durch die Absenkung der Obergrenze der Liquiditätsreserve seien 2024 insgesamt rund 3,1 Milliarden Euro mit der Absicht an die Krankenkassen ausgeschüttet worden, die Zusatzbeitragssätze zu stabilisieren. Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen dabei 2024 im Vergleich zum Jahr 2023 um 5,6 Prozent. Verantwortlich hierfür seien vor allem die inflationsbedingt hohen Lohnsteigerungen.

Entwicklungen bei den Ausgaben

Die Krankenkassen verzeichneten im Jahr 2024 bei einem Versichertenplus von 0,3 Prozent (2023: 0,9 Prozent) einen Zuwachs der Leistungsausgaben und Verwaltungskosten von 7,7 Prozent (2023: 5,0 Prozent). Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 8,1 Prozent (2023: 5,2 Prozent), die Verwaltungskosten reduzierten sich um 0,6 Prozent (2023: Anstieg um 1,6 Prozent). Damit hat sich die Ausgabendynamik sowohl gegenüber dem Vorjahr als auch gegenüber den Ergebnissen bis zum 3. Quartal 2024 (+7,5 Prozent) beschleunigt. Auch im langjährigen Schnitt ist der Ausgabenanstieg deutlich erhöht. Als Ursache benennt das BMG wie im Vorjahr insbesondere inflationsbedingt höhere Ausgaben für Personal- und Sachkosten sowie Vergütungen der Leistungserbringer. In absoluten Zahlen stiegen die Leistungsausgaben und Nettoverwaltungskosten der Krankenkassen im Jahr 2024 um 23,3 Milliarden Euro (2023: 14,4 Milliarden Euro).

Stationäre Behandlung
Maßgeblich beeinflusst wurde die dynamische Entwicklung durch die Aufwendungen für Krankenhausbehandlungen, die um rund 8,1 Milliarden Euro (8,7 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr wuchsen. Ein besonders dynamisches Wachstum wird erneut bei den Pflegepersonalkosten verzeichnet, welche im 2024 um 2,6 Milliarden Euro (13,1 Prozent) gestiegen sind. Ohne Pflegepersonalkosten wuchsen die Krankenhausausgaben um 7,5 Prozent an.

Arzneimittel
Mit einem Plus von 5,0 Milliarden Euro (9,9 Prozent) sind die Ausgaben für Arzneimittel deutlich gestiegen. Grund hierfür sei unter anderem die in 2024 ausgelaufene (einmalige) Anhebung des Herstellerrabattes in 2023. Die Brutto-Aufwendungen für Arzneimittel ohne Rabatte wuchsen gegenüber dem Vorjahr um rund 7 Prozent (4,2 Milliarden Euro). Dies stellt den stärksten Anstieg seit über 10 Jahren dar. Hervorzuheben ist dabei die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV). Aufgrund der zunehmenden Bedeutung dieser Versorgungsform, stiegen die Leistungsausgaben für Arzneimittel im Rahmen der ASV um rund 30 Prozent bzw. 723 Millionen Euro. Auch die Arznei- und Verbandmittel aus Versandhandel legten deutlich zu (59,7 Prozent bzw. 246 Millionen Euro).

Ambulante Behandlung
Die Aufwendungen für ambulant ärztliche Behandlungen verzeichneten einen Anstieg von 6,3 Prozent bzw. 3,0 Milliarden Euro. Die zahnärztlichen Behandlungen legten um 3,1 Prozent bzw. 418 Millionen Euro zu (Zahnersatz +3,8 Prozent bzw. 151 Millionen Euro). Die Vergütungsanstiege für zahnärztliche Behandlungen unterlagen im Jahr 2024 noch begrenzenden Regelungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes.

Weitere Leistungen
Viele kleine und mittlere Leistungsbereiche verzeichneten ebenfalls einen starken Ausgabenanstieg. Deutlich überproportional gestiegen sind die Ausgaben im Bereich Behandlungspflege und häusliche Krankenpflege einschließlich der außerklinischen Intensivpflege (+12,7 Prozent bzw. 1,2 Milliarden Euro), bei den Heilmitteln (+10,4 Prozent bzw. 1,3 Milliarden Euro) sowie bei den Aufwendungen für Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen (+10,7 Prozent bzw. 450 Millionen Euro) sowie für Schutzimpfungen (+10,9 Prozent bzw. 314 Millionen Euro).

Hybrid-DRG
Die Ambulantisierung hat 2024 einen Schub erhalten. Die Hybrid-DRG erreichten Ausgaben in Höhe von rund 563 Millionen Euro. Ein Großteil dieser sektorenübergreifenden Versorgungsform entfiel mit 432 Millionen Euro auf die Krankenhäuser, die starke Rückgänge bei den entsprechenden vollstationären DRG-Abrechnungspositionen verzeichnen. Auch die ambulanten Operationen nach AOP-Katalog verzeichnen im Krankenhaus (+17,2 Prozent bzw. 144 Millionen Euro) und bei den Vertragsärzten (+9,4 Prozent bzw. 215 Millionen Euro) ein kräftiges Wachstum (insgesamt +11,5 Prozent).

Verwaltungskosten
Die Netto-Verwaltungsausgaben verminderten sich für das Jahr 2024 um 74 Millionen Euro (-0,6 Prozent). Der Saldo aus Zuführungen und Entnahmen für Altersrückstellungen betrug lediglich 57 Millionen Euro (2023: 772 Millionen Euro). Ohne Altersrückstellungen stiegen die Netto-Verwaltungsausgaben um 641 Millionen Euro (+5,3 Prozent). Die persönlichen Verwaltungsausgaben (ohne Altersrückstellungen) nahmen um 4,1 Prozent zu und die sächlichen Verwaltungsausgaben um 6,3 Prozent.

Bei der Interpretation der vorläufigen Rechnungsergebnisse ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen, insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten, zu einem gewissen Grad noch von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten für den betrachteten Zeitraum häufig nur teilweise vorliegen. Hierauf weist das BMG hin. Auch die Aufwendungen für das Pflegebudget im Krankenhaus sind aufgrund der für einen Teil der Krankenhäuser noch nicht vorliegenden Abschlüsse der Verhandlungspartner vor Ort teilweise von Schätzungen geprägt.

Die endgültigen Finanzergebnisse der Krankenkassen für das Gesamtjahr 2024 werden ebenso wie die Daten des 1. Quartals 2025 Mitte Juni 2025 vorliegen.

Zusatzbeitragssatz durchschnittlich 2,92 Prozent

Das BMG hat auf Basis der Prognose des GKV-Schätzerkreises vom 14. und 15.10.2024 einen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2025 von 2,5 Prozent (+0,8 Prozentpunkte) festgelegt. Zum 01.01.2025 mussten 82 Krankenkassen ihre Beitragssätze erhöhen, weitere hatten bereits zum Jahresende 2024 erhöht. Der damit von den Krankenkassen zum 01.01.2025 durchschnittlich erhobene Zusatzbeitragssatz lag mit 2,92 Prozent schon deutlich oberhalb der Festlegung des BMG (+0,42 Prozentpunkte).


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