GKV-Finanzentwicklung
Krankenkassen nach 1. Quartal 2024 tief in den roten Zahlen
24.06.2024·Die 95 gesetzlichen Krankenkassen haben von Januar bis März 2024 ein Defizit von 776 Millionen Euro verbucht. Dies hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am Freitag (21.06.2024) in Berlin mitgeteilt. Zum Vorjahreszeitraum (-162 Millionen Euro) stieg das Minus damit um 614 Millionen Euro an. Ursache hierfür sind laut BMG die hohe Ausgabendynamik bei den Kassen und die politisch noch nicht umgesetzten strukturellen Reformen zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung.
Gesunken sind dagegen erneut die Finanzreserven der Krankenkassen. Sie betrugen Ende März noch rund 7,6 Milliarden Euro, was rund 0,3 Monatsausgaben entspricht. Das gesetzliche Mindestmaß für die Rücklage beträgt 0,2 Monatsausgaben. Seit Ende 2018 wurden die Rücklagen der Kassen insgesamt um rund 13,4 Milliarden Euro abgebaut.
Stand der GKV-Rücklagen
31.03.2024: 7,6 Milliarden Euro
31.12.2023: 8,4 Milliarden Euro
31.12.2022: 10,4 Milliarden Euro
31.12.2021: 11,0 Milliarden Euro
31.12.2020: 16,7 Milliarden Euro
31.12.2019: 19,8 Milliarden Euro
31.12.2018: 21 Milliarden Euro
Unter dem Titel "Die 100-Milliarden-Euro-Herausforderung" gilt der aktuelle GKV-Tag der Krankenhausreform. Jeder dritte Euro der Beitragszahler fließe bereits in die Krankenhäuser. Trotzdem berücksichtige die immernoch ausstehende Reform die Interessen der Patienten nur unzureichend.
Die Ersatzkassen (TK, Barmer, DAK, KKH, hkk, HEK) erzielten ein Defizit von 314 Millionen Euro, die Ortskrankenkassen (AOK) von 282 Millionen Euro, die Betriebskrankenkassen (BKK) von 128 Millionen Euro und die Innungskrankenkassen (IKK, BIG) von 72 Millionen Euro. Die Knappschaft erzielte einen Überschuss in Höhe von 23 Millionen Euro. Die nicht am Risikostrukturausgleich teilnehmende Landwirtschaftliche Krankenkasse verbuchte ein Defizit von 23 Millionen Euro.
Der Gesundheitsfonds verzeichnete im 1. Quartal 2024 ein Defizit von 4,5 Milliarden Euro. Der größere Teil dieses Defizits ist laut BMG saisonüblich: Während die Ausgaben des Gesundheitsfonds als monatliche Zuweisungen in konstanter Höhe an die Krankenkassen fließen, schwanken die Einnahmen unterjährig, z. B. im Rahmen der Verbeitragung von Urlaubs- und Weihnachtsgeldern, teils erheblich. Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,3 Prozent. Verantwortlich hierfür seien insbesondere die inflationsbedingt kräftigen Tariflohnsteigerungen. Die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds betrug zum Stichtag 15.01.2024 rund 9,4 Milliarden Euro.
Entwicklungen bei den Ausgaben
Die Krankenkassen verzeichneten im 1. Quartal 2024 einen sehr dynamischen Zuwachs für Leistungsausgaben und Verwaltungskosten von 7,0 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 7,5 Prozent und damit deutlich stärker als in den letzten Jahren. Die Verwaltungskosten verminderten sich um 3,2 Prozent. In absoluten Zahlen stiegen die Leistungsausgaben der Krankenkassen im 1. Quartal um 5,32 Milliarden Euro. Die Verwaltungskosten sanken um 99 Millionen Euro, da rund 193 Millionen Euro weniger Altersrückstellungen als im Vorjahresquartal gebucht wurden. Der Anstieg der Verwaltungskosten ohne Altersrückstellungen betrug im 1. Quartal 3,2 Prozent.
Die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen sind im 1. Quartal um 8,5 Prozent bzw. 1,94 Milliarden Euro gestiegen und stellen damit einen maßgeblichen Treiber der hohen Ausgabendynamik dar. Neben sehr dynamischen Preiskomponenten (Orientierungswert, Grundlohnrate) und steigenden Fallzahlen sind insbesondere die Pflegepersonalkosten im 1. Quartal mit rund 10,5 Prozent bzw. 510 Millionen Euro erneut stark gestiegen. Die Aufwendungen für ambulante Operationen im Krankenhaus sind um rund 50 Prozent (+89 Mio. Euro) gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegen.
Die Aufwendungen für Arzneimittel stiegen im 1. Quartal um 9,1 Prozent bzw. 1,12 Milliarden Euro an. Hierbei sei laut BMG zu beachten, dass die Entwicklung vom Auslaufen des in 2023 einmalig erhöhten gesetzlichen Herstellerabschlags von 7 auf 12 Prozent geprägt sei. Im 1. Quartal 2024 sanken die zugunsten der GKV gewährten Rabatte um rund 250 Millionen Euro. Unter Herausrechnung des Rabatteffekts seien die Ausgaben für Arzneimittel im 1. Quartal um rund 875 Millionen Euro gestiegen - das entspreche einem Anstieg von rund 7 Prozent. Gestiegen sind auch die Aufwendungen für Arzneimittel im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, die einen Zuwachs von rund 221 Millionen Euro (entspricht +54 Prozent) gegenüber dem Wert des Vorjahresquartals aufweisen.
Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen sind im 1. Quartal um 4,7 Prozent bzw. 558 Millionen Euro gestiegen. Dabei entwickeln sich die Aufwendungen für ambulante Operationen mit einem Wachstum von rund 10 Prozent bzw. 61 Millionen Euro dynamischer als der Gesamtbereich. Auch die Aufwendungen für extrabudgetäre psychotherapeutische Leistungen stiegen überdurchschnittlich (+7,7 Prozent bzw. +66 Millionen Euro). Bei der Interpretation der Aufwüchse ist zu berücksichtigen, dass die Buchungen im ärztlichen Bereich von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten für den betrachteten Zeitraum noch nicht oder nur teilweise vorliegen.
Die Aufwendungen für zahnärztliche Behandlungen (ohne Zahnersatz) stiegen um 5,3 Prozent bzw. 180 Millionen Euro. Während die Ausgaben für den Teilbereich der Parodontalbehandlungen aufgrund von Leistungsverbesserungen um rund 15 Prozent bzw. 50 Millionen Euro gestiegen sind, ist die im zahnärztlichen Bereich insgesamt mit dem GKV-FinStG geregelte Begrenzung des Anstiegs der Gesamtvergütung in den vorläufigen Rechnungsergebnissen der Krankenkassen noch nicht erkennbar.
Stark gestiegen sind die Ausgaben im Bereich der Schutzimpfungen sowie bei Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen (jeweils 13,0 Prozent). Letztere wiesen nach den pandemiebedingten Einbrüchen der vergangenen Jahre schon seit 2022 einen überdurchschnittlichen Anstieg auf. Dynamisch entwickelten sich im Bereich Rehabilitation und Vorsorge neben den stationären Rehabilitationsleistungen insbesondere auch die medizinische Vorsorge für Mütter und Väter.
Endgültige Jahresrechnungsergebnisse für 2023
Nach den endgültigen Jahresrechnungsergebnissen für 2023 erzielten die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr ein Defizit von rund 1,89 Milliarden Euro. In den vorläufigen Rechnungsergebnissen für das 1. bis 4. Quartal (vgl. "Links zum Thema") haben die Krankenkassen ein ähnliches Defizit von 1,87 Milliarden Euro ausgewiesen. Zu berücksichtigen ist hierbei die von den Krankenkassen an den Gesundheitsfonds zu leistende Vermögensabgabe in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro. Auch der Anstieg der Ausgaben hat sich mit 5,1 Prozent gegenüber den vorläufigen Rechnungsergebnissen (+5,0 Prozent) kaum verändert.
Hinweis zur Interpretation der Ergebnisse
Bei der Interpretation der Daten des 1. Quartals ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen, insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten, von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten häufig noch nicht oder nur teilweise vorliegen. Daher sind die Rechnungsergebnisse des 1. Quartals noch mit Vorsicht zu interpretieren. Zudem konnten in Folge des Cyberangriffes auf einen großen IT-Dienstleister im GKV-System im Frühjahr 2023 (wir berichteten, vgl. "Links zum Thema") für einzelne Kassen und einzelne Leistungsbereiche die Abrechnungen in den Rechnungsergebnissen des 1. Quartals des Vorjahres nicht in gleichem Umfang wie in diesem Jahr in der Erstellung der vorläufigen Rechnungsergebnisse berücksichtigt werden. Die Finanzergebnisse für das 1. Halbjahr 2024 werden Ende August vorliegen.
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