Digitalisierung im Gesundheitswesen

Lauterbach erläutert Kernpunkte seiner Digitalstrategie

26.04.2023·Zusammen mit Bundesdigitalminister Dr. Volker Wissing (FDP) hat Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag (25.04.2023) den Fahrplan zur Digitalisierung des Gesundheitswesens erläutert und erneut einen Gesetzentwurf zu den schon bekannten Eckpunkten angekündigt. Anlass war die Veranstaltung "Einfach. Gemeinsam. Digital.", mit der die Bundesregierung zwei Mal jährlich den Gesamtfortschritt der Digitalisierung und deren Nutzen für die Bürger diskutiert. Hinter den Kulissen scheint es dabei auch um eine wichtige Personalie zu gehen.

Bereits Anfang März 2023 hatte Bundesgesundheitsminister Lauterbach im Zuge seiner "Digitalisierungsstrategie für Gesundheit und Pflege" die Eckpunkte für ein Digitalgesetz und ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) vorgestellt (vgl. "Links zum Thema"). Mit den Gesetzen sollen der Behandlungsalltag mit digitalen Lösungen verbessert und die Gesundheitsdaten für die Forschung erschlossen werden. Den konkreten Zeitplan zur Vorlage entsprechender Gesetzentwürfe ließ der Minister dabei erneut offen. Die Ressortabstimmung erfolge in den "nächsten Wochen". Erst danach kann über die Entwürfe im Kabinett entschieden werden.

ePA, E-Rezept und Gesundheitsdaten

Kernpunkte der Digitalisierungsstrategie sind dabei insbesondere die Umstellung der elektronischen Patientenakte (ePA) auf eine "opt-out"-Lösung, die regelhafte bundesweite Anwendung des E-Rezeptes sowie die Möglichkeit zur Weitergabe von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken. Bisher analoge Prozesse sollen damit weiter digitalisiert, Verwaltungskosten eingespart und Erkenntnisgewinne durch digitale Datenströme gesteigert werden. Bei der Generierung und Auswertung digitaler Gesundheitsdaten, so der Minister, habe Deutschland den Anschluss an die internationale Spitze verloren. Forscher und Unternehmen ziehe es zunehmend in Länder wie die USA, Großbritannien oder Israel. Vor allem durch die Umstellung der Patientenakte will Lauterbach den Anteil der Nutzer von aktuell unter 1 Prozent auf rund 80 Prozent bis Ende 2024 steigern. Patienten, die keine ePA nutzen möchten, müssen bei der "opt-out"-Regelung aktiv widersprechen.

Fehlende Aussagen zur Finanzierung

Die Gesundheitsforschung wird künftig immer mehr auf dem Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) basieren. Als Teilbereich davon bedingt das "Machine Learning" zum Anlernen von Algorithmen sehr große Datenmengen. Werden diese von den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) über die ePA zur Verfügung gestellt, ist dies für die forschenden Institutionen und mittelbar für die gesamte Gesellschaft ein enormer Mehrwert. Umso mehr fällt ins Gewicht, dass Aussagen zur Finanzierung der mit den Gesetzesvorhaben verbundenen Kosten, z. B. für die Absicherung digitaler Identitäten, in den Ausführungen des Ministers bisher fehlen. Schon beim letzten Gesetzesvorhaben Lauterbachs, dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetzes (PUEG), ist die Finanzierung letztlich über höhere Beitragssätze ausschließlich beim Beitragszahler verblieben. Offen zu Tage tritt damit die Schwäche Lauterbachs zur Durchsetzung von Finanzierungsanteilen aus Steuergeldern für Aufgaben, die die GKV im Auftrag der Gesamtgesellschaft und nicht nur ihrer Versicherten erbringt.

Hinter den Kulissen: Ablösung des gematik-Chefs?

Weiterer Bestandteil des Digitalgesetzes ist die vollständige Verstaatlichung der Gesellschaft für Telematik (gematik GmbH). Bereits im Mai 2019 hatte der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) 51 Prozent der Geschäftsanteile der gematik verstaatlicht. Quasi im Alleingang hat er dabei den bisherigen Geschäftsführer Alexander Beyer zum 01.07.2019 abberufen und durch Markus Leyck Dieken ersetzt.

Sowohl das Vorgehen des Ministers als auch die Nähe Leyck Diekens zur Pharmaindustrie wurden von den Krankenkassen und Transparency International massiv kritisiert (vgl. "Links zum Thema"). Dr. Wolfgang Wodang, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland erklärte damals: "Bereits als Bundestagsabgeordneter hatte Spahn nebenbei als Teilhaber einer Lobbyagentur eine übermäßige Nähe zu Klienten aus dem Medizin- und Pharmasektor. Mit der Berufung von Leyck Dieken zerstört Spahn das Vertrauen in seine Pläne für die elektronische Patientenakte. Erst überrumpelt der Minister mit der Gematik-Übernahme den Bundestag und die Selbstverwaltungsorgane des Gesundheitswesens, um dann der Pharma-Industrie dort den Führungsposten zuzuschieben. Damit wird der Bock zum Gärtner gemacht". Das Gehalt Leyck Diekens wurde auf rund 330.000 Euro taxiert. Nun steht eine mögliche Abberufung Leyck Diekens im Raum.

Eine entsprechende Meldung des Dienstes "The Pioneer" wollten am Dienstag nach einem Bericht der Ärztezeitung weder das BMG noch die gematik bestätigen. Leyck Diekens stand zuletzt wegen Sicherheitsproblemen beim E-Rezept und dem Vorwurf täuschender Formulierungen hierzu in der Kritik des Bundesbeauftragten für Datenschutz und des Chaos Computer Clubs (CCC). Aus BMG-Kreisen heißt es zudem, die Arbeit der gematik lasse den Minister unzufrieden zurück. Finanziert wird die gematik zu 100 Prozent aus Beitragsgeldern der Krankenkassen. Dies soll laut Digitalgesetz-Eckpunkte auch nach der vollständigen Verstaatlichung so bleiben, was die Krankenkassen scharf kritisieren.


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