Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V.|19.03.2024

PRESSEMITTEILUNG

Dringend benötigte Hilfe für psychisch Erkrankte droht am Genehmigungsbürokratismus zu scheitern

Berlin (kkdp)·Menschen mit schweren psychischen Störungen und daraus resultierenden Einschränkungen können laut Gesetz ambulante Hilfe über die sogenannte Soziotherapie erhalten. Auf diese Weise kann psychisch Erkrankten, die aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, ärztliche oder psychotherapeutische Leistungen in Anspruch zu nehmen oder ihren Alltag zu organisieren, zeitnah geholfen werden. Diese recht neue Therapieform wird in der dazugehörigen Soziotherapie-Richtlinie nach § 92 SGB V des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geregelt und versteht sich als "koordinierende und begleitende Unterstützung". Eigentlich ein gutes Konzept.

Lange handelte es sich dabei eher um eine theoretische, aber nicht wirklich genutzte unterstützende Therapieform, bis Änderungen der Soziotherapie-Richtlinie 2017 u. a. zu einem deutlich größeren Personenkreis an Betroffenen mit einem Recht auf Inanspruchnahme der Soziotherapie führten. Gleichzeitig vergrößerte sich der Kreis der Verordnungsberechtigten. Neben Fachärzt*innen können nun auch Psychotherapeut*innen diese Therapie verordnen. Die positive Entwicklung: In der Folge stieg das soziotherapeutische Angebot bundesweit an und federte Engpässe in der Versorgung psychisch Erkrankter ab. Eine echte Chance, denn psychisch erkrankte Menschen erhalten so zeitnah die dringend benötigte Hilfe, das Gesundheitssystem wird entlastet und das spart gleichzeitig Geld und Ressourcen.

In der Realität sieht die Situation allerdings anders aus. Die verordnete Soziotherapie muss zunächst von der Krankenkasse genehmigt werden. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen kann hinzugezogen werden und auf Grundlage einer Begutachtungsanleitung Stellung nehmen. Diese Begutachtungsanleitung hat Empfehlungscharakter und soll eine bundesweit verbindliche Grundlage für die Begutachtung darstellen. Und genau hier liegt das Problem.

Diese Begutachtungsanleitung führt Patient*innen ins bürokratische Nirvana, denn dort heißt es: "Ist ein Versicherter ausreichend motiviert und belastbar, um eine ambulante Psychotherapie eigenständig und dauerhaft in Anspruch zu nehmen, besteht keine Indikation für die Verordnung von Soziotherapie". Und somit haben Patient*innen, die es trotz ihrer schweren Situation schaffen, eine/n Psychotherapeutin/en aufzusuchen, keinen Anspruch mehr auf Soziotherapie, obwohl sie ja nur dort die entsprechende Verordnung überhaupt erhalten können, die sie so dringend brauchen. Dr. Johanna Thünker vom BDP kritisiert: "Diese Empfehlung konterkariert die Änderung der Soziotherapie-Richtlinie mit der Erweiterung des Verordnungskreises und stellt zugleich die Indikationshoheit der Behandler*innen in Frage."

Michael Hibler vom Bundesverband Soziotherapie erläutert: "Es gibt regional große Unterschiede, ob und wie der Leitfaden ausgelegt wird. Häufig kommt es erst nach einer ausführlichen Begründung durch eine/n Psychotherapeutin/en oder die Einschaltung von Rechtsanwälten zu einer Bewilligung". Psychisch erkrankte Betroffene, bei denen eine Soziotherapie-Behandlung dringend geboten wäre, haben jedoch meist nicht die Kraft für diesen Aufwand. Gleichzeitig geht wertvolle Zeit für den Bewilligungsaufwand verloren, die psychotherapeutische Praxen bei der kritischen Versorgungssituation in Deutschland dringend für die Versorgung psychischer Erkrankungen benötigen. Und auch Betroffene warten so oft deutlich länger auf eine Therapie, was zu einer Verschlechterung ihres gesamten Gesundheitszustandes führen kann.

Psychotherapeut*innen und Soziotherapeut*innen fordern nun gemeinsam den zuständigen Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-Spitzenverband) dazu auf, jetzt zu handeln, notwendige Änderungen der Begutachtungsanleitung für Soziotherapie gemäß § 282 Abs. 2 Satz 3 SGB V durchzuführen und die ambulante Versorgungslücke durch Soziotherapie zu schließen.

Gemeinsame Pressemitteilung des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. und des Bundesverbandes Soziotherapie e.V.

Pressekontakt:

Bettina Genée
Fon: +49 176 58868222
Mail: presse@bdp-verband.de


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