Wissenschaftliches Institut der AOK|10.12.2024
PRESSEMITTEILUNG
Pflege-Report 2024: Erhebliche regionale Varianz bei der Entwicklung von Pflegebedürftigkeit in Deutschland
Eine Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) für den Pflege-Report 2024 zeigt innerhalb Deutschlands eine erhebliche regionale Varianz bei der Entwicklung der Pflegeprävalenz zwischen 2017 und 2023: Im Fünftel aller Kreise mit dem geringsten Anstieg nahm der Anteil an Pflegebedürftigen in einer Spanne von 37,1 bis 56,2 Prozent zu. Im Fünftel mit der stärksten Zunahme wurde eine Steigerung um 80,7 bis zu 143,8 Prozent verzeichnet. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt betrug der Anstieg 57 Prozent. Den höchsten Anteil an Pflegebedürftigen gab es 2023 dabei vorwiegend in Kreisen in Ostdeutschland, Nordrhein-Westfalen, Hessen und im Saarland: Hier waren zwischen 9,1 und 17,1 Prozent der SPV-Versicherten pflegebedürftig. In wenigen Regionen, vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, gab es Raten von weniger als 5,7 Prozent. Der Bundesdurchschnitt lag 2023 bei 7 Prozent Pflegebedürftigen. Grundlage der Auswertung sind anonymisierte Daten von AOK-Versicherten, die so standardisiert wurden, dass Aussagen zur gesamten Sozialen Pflegeversicherung getroffen werden können.
Die Analyse des WIdO belegt zudem, dass die Entwicklung der Pflegeprävalenzen nicht allein durch die Alterung der Gesellschaft erklärt werden kann. In nur zwei von insgesamt 400 Kreisen und kreisfreien Städten entsprach die beobachtete Pflegeprävalenz 2023 der demographisch zu erwartenden. In zwei weiteren Kreisen wurde das Prognoseniveau unterschritten und in allen anderen 396 Landkreisen lag die Anzahl an Pflegebedürftigen über dem Wert, der demographisch erwartbar gewesen wäre. Die Autorinnen der Studie stellen dabei fest, dass bei einer reinen Fortschreibung der Alterung bundesweit nur ein Anstieg um 21 Prozent zu erwarten gewesen wäre und nicht die beobachteten 57 Prozent.
Auch bei der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen zeigt sich eine erhebliche regionale Varianz: So wurden im Fünftel der Kreise mit den höchsten Raten, primär im westlichen Teil Deutschlands, von 65,6 Prozent und mehr Pflegebedürftigen ausschließlich Geldleistungen in Anspruch genommen, während die Rate in den Kreisen mit den niedrigsten Werten, hier vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein, bei maximal 51,4 Prozent lag. In weiten Teilen Ostdeutschlands dominierten dagegen Sach- und Kombinationsleistungen mit einer Inanspruchnahme zwischen 24,3 und 40,9 Prozent. In einem Großteil der Kreise in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland nutzten höchstens 15,6 Prozent diese Leistungen.
Routinedaten als empirische Grundlage für die Pflegestrukturplanung
Susann Behrendt, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege am WIdO und Mitherausgeberin des Pflege-Reports, sagt: "Die Ergebnisse zeigen, wie heterogen das Thema Pflege in Deutschland ist. Für eine systematische und passgenaue Pflegeinfrastrukturplanung vor Ort müssen also auch die Ausprägungen der Variablen zur Inanspruchnahme verschiedener Leistungen auf kommunaler Ebene berücksichtigt werden - allein die demographische Entwicklung als empirische Grundlage reicht nicht aus." Als aufwandsarme Datenbasis für eine fundierte Pflegestrukturplanung würden sich Behrendt zufolge die Routinedaten der Kranken- und Pflegekassen anbieten.
Auf dieser Grundlage hat das WIdO auch die Ursachen für die erheblichen regionalen Unterschiede analysiert: Vor allem das durchschnittliche Alter, der Demenzanteil, das Vorhandensein einer Pflegeperson sowie raumstrukturelle Aspekte in einem Landkreis können die Disparitäten der Expertin zufolge zur Erklärung beitragen. So steige etwa die Inanspruchnahme von Sach- und Kombinationsleistungen bei höherem Durchschnittsalter, mehr Demenzerkrankten und in ländlichen Regionen.
Bei einer Verringerung derselben Einflussfaktoren zeigt sich hingegen eine signifikante Zunahme bei der Inanspruchnahme von Pflegegeld. Behrendt ordnet ein: "Diese Zusammenhänge und Muster müssen aber noch genauer erforscht werden - auch, um bei der Gestaltung der pflegerischen Versorgungsstrukturen vor Ort noch gezielter vorzugehen. Wichtig dafür ist es vor allem, regionale Transparenz herzustellen, damit regionale Antworten auf zukünftige Herausforderungen in der Pflege gefunden werden können."
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