Virchowbund|30.01.2025

PRESSEMITTEILUNG

Hinterzimmer-Lobbyismus der Krankenkassen: So wollten Kassen die Arzttermine übernehmen

Berlin (kkdp)·Nach den dubiosen Vorgängen um die von Pharma-Lobbyisten im Bundesgesundheitsministerium (BMG) initiierte Einführung von vertraulichen Erstattungspreisen bei Arzneimitteln ("Lex Lilly"), wird nun ein weiterer Fall von Lobbyismus bekannt: Nach Recherchen des Investigativ-Magazins Business Insider fanden im BMG von April bis Juni 2024 vier vertrauliche Gespräche mit Vertretern der Techniker Krankenkasse und des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen statt, die direkt in einen Gesetzesentwurf zum Vorteil der Krankenkassen endeten.

So sollten nach dem Willen der Kassenvertreter die bestehenden Terminplattformen eingeschränkt werden. Den Krankenkassen sollte direkter Einfluss auf die digitale Terminvergabe in den Arztpraxen gegeben werden.


Die Kassenvertreter lobbyierten offenbar erfolgreich, denn nur wenige Wochen nach der Lobbyoffensive erschien im Entwurf des Gesundheits-Digitalagentur-Gesetzes der Paragraf § 370c, der den Krankenkassen mehr Mitsprache bei der digitale Terminvergabe geben sollte. Insbesondere ging es um einen "bedarfsgerechten und diskriminierungsfreien Zugang" zu Terminbuchungsplattformen unter "Ausschluss einer kommerziellen Drittnutzung des Terminbuchungsprozesses".

Kurz darauf veröffentlichte der GKV-Spitzenverband ein Positionspapier, das in den Forderungen noch viel weiter geht: Demnach sollten bis zu 75 Prozent aller Arzttermine über eine zentrale Terminplattform vermittelt werden, auf die auch die Krankenkassen ein direktes Zugriffsrecht bekommen hätten.

"Das Ziel der Krankenkassen ist klar: Sie wollen die Hoheit über die Terminvergabe in den Arztpraxen erlangen und damit direkt in unsere Praxen hineinregieren. Vertreter der betroffenen Ärzteschaft blieben bei diesen Gesprächen außen vor. Dass dieses Vorhaben über Hinterzimmer-Lobbyismus beinahe gelungen wäre, ist der eigentliche Skandal", so der Bundesvorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte Deutschlands (Virchowbund), Dr. Dirk Heinrich.

Dabei ist das auf den ersten Blick harmlos wirkende Thema der Terminvergabe ein folgenschwerer Eingriff: "Die Praxen niedergelassener Ärzte sind im Eigentum der Praxisärzte, die wiederum einen Vertrag mit dem System der Gesetzlichen Krankenkassen haben. Ein Eingriff in die Terminvergabe ist ein Eingriff in die privatrechtliche Praxisorganisation und damit ein Angriff auf das Eigentum der Praxisärzte. Dies ist die aus unserer Sicht verfassungswidrig. Wir werden uns gegen derartige Angriffe auf unser Eigentum nötigenfalls auch vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigen", erklärt Dr. Heinrich.

Kassen sind nicht im Lobby-Register verzeichnet

Nach den dubiosen Vorgängen um die Intervention von Pharmavertretern im Bundesgesundheitsministerium rund um die Einführung von vertraulichen Erstattungspreisen bei Arzneimitteln ("Lex Lilly"), ist dies der zweite Fall von Lobbyismus unter Gesundheitsminister Lauterbach (SPD). "Das ist genau der Minister, der die Akteure, die sich im Gesundheitswesen um die Versorgung kümmern, als Lobbyisten bezeichnet, während er den wahren Lobbyisten in den Hinterzimmern des BMG den Weg ins Gesetzgebungsverfahren bereitet", betont Dr. Heinrich.

Besonders brisant: Während alle Verbände, die in Berlin Interessenvertretung betreiben, sich und ihre Aktivitäten im Lobbyregister des Bundestages erklären müssen, besteht diese Verpflichtung für die Krankenkassen nicht. "Ich fordere die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas auf, das Lobbyregister zukünftig auch auf die Krankenkassen, andere Körperschaften und Gewerkschaften auszuweiten. Die heutige Regelungslücke führt nicht nur zu Ungerechtigkeiten, sondern zu mehr Intransparenz, weil große Player im System weiterhin im Dunkeln agieren können", betont Dr. Heinrich.

Recherche des Business Insider:

Pressekontakt:

Dr. Diana Michl
Tel: 030 / 28 87 74 - 0
Fax: 030 / 28 87 74 - 115
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