Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB)|04.11.2025

PRESSEMITTEILUNG

Marburger Bund begrüßt wegweisende Entscheidung zur Triage-Regelung im Infektionsschutzgesetz

Mainz (kkdp)·Der Marburger Bund begrüßt den heutigen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, mit dem der im Jahr 2022 eingefügte § 5c des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in vollem Umfang für nichtig erklärt wurde. Das Gericht hat entschieden, dass es dem Bund an einer Gesetzgebungskompetenz für diese pandemiebezogene Regelung fehlte. Die Vorschrift, die Zuteilungsentscheidungen über begrenzte intensivmedizinische Behandlungskapazitäten in Pandemielagen regeln sollte, greife in die Berufsausübungsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten aus Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz ein und könne nicht auf das Infektionsschutzrecht gestützt werden.


"Das ist ein großer persönlicher Erfolg für die beschwerdeführenden Ärztinnen und Ärzte und eine für die gesamte Ärzteschaft höchst bedeutsame Entscheidung", erklärte Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes. "Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die Ausübung ärztlicher Tätigkeit nicht durch unzulässige staatliche Vorgaben eingeengt werden darf. Zur Berufsfreiheit gehört gerade auch die Freiheit und Verantwortung, selbst in medizinischen Dilemmasituationen ärztliche Entscheidungen nach fachlicher Kenntnis und eigenem Gewissen in kollegialer Übereinstimmung zu treffen. Das bedeutet für uns Ärztinnen und Ärzte unter den Bedingungen einer extremen Notlage bei begrenzten intensivmedizinischen Ressourcen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um unter derart schwierigen Umständen die größtmögliche Zahl an Menschenleben zu retten."

Das Bundesverfassungsgericht gibt mit seiner Entscheidung 14 Ärztinnen und Ärzte aus der Notfall- und Intensivmedizin Recht, die als Mitglieder des Marburger Bundes mit Unterstützung des Verbandes Verfassungsbeschwerde gegen § 5c IfSG eingelegt hatten. Sie hatten geltend gemacht, dass die Triage-Regelung gegen ihre Grundrechte aus Artikel 12 Absatz 1 GG (Berufsfreiheit) verstößt. Mit der heutigen Entscheidung hat das Gericht ihre Rechtsauffassung mit Blick auf die Berufsfreiheit bestätigt: § 5c IfSG ist ab sofort nicht mehr existent.

Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung fest, dass die Norm eine sogenannte Pandemiefolgenregelung sei, die unmittelbar die berufliche Tätigkeit von Ärztinnen und Ärzten - insbesondere von Notfall- und Intensivmedizinerinnen und -medizinern - betreffe. Das Gericht machte zugleich deutlich, dass die ärztliche Berufsausübungsfreiheit den Kernbereich der ärztlichen Therapiefreiheit einschließt. Ärztinnen und Ärzte hätten die grundrechtlich geschützte Freiheit, ihre Patientinnen und Patienten individuell nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu behandeln.

Der Marburger Bund sieht in der heutigen Entscheidung eine doppelte Botschaft: Zum einen stellt das Gericht klar, dass der Bund mit § 5c IfSG eine ihm nicht zustehende Gesetzgebungskompetenz beansprucht hat und dass diese Vorschrift die ärztliche Berufsfreiheit in unzulässiger Weise beschränkte. Zum anderen unterstreicht der Beschluss die hohe Bedeutung der ärztlichen Therapiefreiheit und Gewissensverantwortung in Extremsituationen.

"Die Entscheidung stärkt die verfassungsrechtliche Stellung der Ärztinnen und Ärzte und gibt ihnen Rechtssicherheit auch für ihr Handeln in medizinischen Krisenlagen", so Johna weiter. "Sie zeigt auch, dass das Bundesverfassungsgericht den ärztlichen Beruf als eigenverantwortliche Profession versteht, deren Freiheit und Ethik eine Grenze für staatliche Regulierung bilden."

Pressekontakt:

Hans-Jörg Freese
Pressesprecher
Tel.: +49 30 746846-40
Fax: +49 30 746846-45
presse@marburger-bund.de


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