AOK Hessen. Die Gesundheitskasse.|10.07.2024

PRESSEMITTEILUNG

Gefälscht, erfunden und fingiert
Zahlen zum Fehlverhalten im hessischen Gesundheitswesen

Bad Homburg (kkdp)·In den vergangenen beiden Jahren hat das Team Fehlverhaltensbekämpfung der AOK Hessen 650 Neufälle bearbeitet. Schäden in Höhe von über 3,5 Mio. Euro wurden im Zusammenhang mit betrügerischem Handeln 2022 und 2023 festgestellt. Dabei geht es oft um "Luftleistungen", Doppelabrechnungen, Urkundenfälschung und Leistungsmissbrauch. Die meisten kriminellen Handlungen waren hierbei im Leistungsbereich der Pflegeversicherung zu verorten.

Im Gesundheitswesen gibt es vereinzelt Leistungserbringer, Arbeitgeber und Versicherte, die systemisch bedingte Intransparenzen und Schwachstellen zu ihrem eigenen Vorteil nutzen. Während sich der allergrößte Teil an Recht und Gesetz hält, finden sie Einfallstore, um sich zu bereichern. Genau hier setzt die Arbeit der Stelle für Fehlverhaltensbekämpfung im Gesundheitswesen an. In der rückwirkenden Zwei-Jahres-Betrachtung fällt besonders auf: Die Zahl der Hinweise hat um 17 Prozent zugenommen - 2022/23 waren es erstmals mehr als 1.000 (genau: 1.115). Allerdings bestätigten sich nicht alle Hinweise. Zahlreiche kommen von der Polizei und den Staatsanwaltschaften. Auch gab es in diesem Zeitraum mehr verfolgte Neufälle: Insgesamt 650 und damit 18 Prozent mehr als 2020/21. In der aktiven Bearbeitung befanden sich jedoch über 1.000 Fälle, denn mitunter dauert es mehrere Jahre, bis ein Verfahren komplett abgeschlossen ist.

Schäden und Tatbestände

Betrachtet man das Ranking der betroffenen Leistungsbereiche, liegt die Pflegeversicherung ganz vorne (200 Neufälle, 266 verfolge Fälle gesamt). Auch Heilmittel (121/156), Häusliche Krankenpflege (81/134) sowie Arznei- und Verbandmittel (53/111) fallen auf. Die Verursacher sind demzufolge Institutionen, die die genannten Leistungen erbringen, zum Beispiel Pflegedienste oder auch Apotheken, ebenso Arbeitgeber und Versicherte. Die größten Schäden wurden in den Bereichen Fahrkosten und Häusliche Krankenpflege festgestellt, es handelt sich jeweils um fast 1 Mio. Euro. Dem Gesamtschaden von 3,5 Mio. Euro stehen gesicherte Forderungen in Höhe von 3,3 Mio. Euro gegenüber, die gerichtlich oder außergerichtlich durchgesetzt werden konnten. Bei den Tatbeständen zeigt sich wiederum folgendes Bild: Bei 519 Fällen in den Jahren 2022/23 ging es um die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen. In weiteren 178 Fällen handelte es sich um Urkundenfälschung, auch wurden Leistungen ohne vertragsgemäße Qualifikation in 234 Fällen festgestellt. In 345 Fällen gab es einen nachgewiesenen Leistungsmissbrauch durch Versicherte.

Konkrete Fallbeispiele aus den Jahren 2022/23

Gefälschte Berufsurkunden in der Intensivpflege

Ein Pflegedienst setzte bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten in der Intensivpflege Personal mit gefälschten Berufsurkunden ein. Auf den Urkunden war auffällig, dass kein Landeswappen, wie sonst üblich, aufgedruckt war. Bei fast der Hälfte der Mitarbeitenden des Pflegedienstes waren die Urkunden gefälscht, es handelte sich somit gar nicht um Fachkräfte. Es wurde daraufhin dafür gesorgt, dass diese Personen nicht mehr praktisch tätig sind, zumal auch Pflegemängel festgestellt wurden. Die beschuldigte Inhaberin bestritt, von den Fälschungen gewusst zu haben. Das Strafverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Fingierte Beschäftigungsverhältnisse und erfundene Lohnfortzahlungen

Es bestand der Verdacht, dass durch die Lohnbuchhaltung eines Arbeitgebers so genannte AAG-Erstattungen (Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Entgeltfortzahlung) beantragt wurden, ohne dass die in den Anträgen angegebenen Entgeltfortzahlungen tatsächlich geleistet worden waren. Tatsächlich lag auch keine Arbeitsunfähigkeit bei den Beschäftigten vor. Weiterhin gab es Hinweise darauf, dass sowohl die Firmeninhaber und Geschäftsführer als auch deren Familienangehörige zu Unrecht als Beschäftigte verschiedener Firmen angemeldet wurden. Hierfür konstruierte der Lohnbuchhalter ein ganzes Netzwerk von Firmen, welche er betreute. Für diese Beschäftigten wurden dann unberechtigt weitere Lohnersatzleistungen wie Krankengeld oder Mutterschaftsgeld unrechtmäßig bezogen.

Zahlen der AOK Hessen aus den Jahren 2022/23

Verteilung der Tatbestände (Auswahl; genannt wird die Fallzahl)

Abrechnung nicht erbrachter Leistungen: 519
Leistungsmissbrauch: 345
Abrechnung erbrachter Leistungen ohne Qualifikation: 234
Urkundenfälschung: 178

Festgestellte Schäden (Auswahl; Beträge sind gerundet)

Fahrkosten: 991.600 Euro
Häusliche Krankenpflege: 958.000 Euro
Arznei- und Verbandmittel: 512.000 Euro
Hilfsmittel: 351.000 Euro
Pflegeversicherung: 312.000 Euro

Pressekontakt:

Riyad Salhi, Pressesprecher
riyad.salhi@he.aok.de
Telefon 06172 272 143
Telefax 06172 272 144


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