Sammelsurium an Einzelregelungen
Bundestag beschließt Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG)
03.12.2022·Der Deutsche Bundestag hat das "Gesetz zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und in der Digitalisierung" (Krankenhauspflegeentlastungsgesetz, KHPflEG) beschlossen. Die Verabschiedung des von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach vorgelegten Gesetzes erfolgte am Freitag (02.12.2022) nach 2. und 3. Lesung mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit. Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hatte dem Gesetz zuvor am 30.11.2022 zugestimmt.
Die Kerninhalte des Gesetzes im Einzelnen:
Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus
Mit dem Gesetz soll die Situation der Pflege in den Krankenhäusern mittelfristig verbessert werden. Hierzu werden Idealbesetzungen für die Stationen errechnet und durchgesetzt. Dazu wird ein Instrument zur Personalbemessung (PPR 2.0) eingesetzt, das im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege von allen Beteiligten entwickelt wurde. Die Einführung der PPR 2.0 erfolgt stufenweise: Am 01.01.2023 startet die Erprobungsphase mit einem Praxistest. Die Testphase erfolgt in einer repräsentativen Auswahl von Krankenhäusern. Auf dieser Basis werden in einer Rechtsverordnung den Krankenhäusern Vorgaben für die Personalbemessung gemacht. Ab 2025 wird die Personalbemessung dann scharf gestellt und sanktioniert.
Krankenhaustagesbehandlung und spezielle sektorengleiche Vergütung
Nicht jede stationäre Behandlung erfordert auch eine Übernachtung des Patienten oder der Patientin im Krankenhaus. Um Krankenhauspersonal stärker zu entlasten und Patienten, die dies wollen, die Übernachtung in vertrauter Umgebung zu ermöglichen, wird eine Krankenhaustagesbehandlung eingeführt. Die Entscheidung hierüber treffen Ärzte und Patienten im gegenseitigen Einvernehmen. Hierzu werden Dokumentationsanforderungen für die tagesstationären Behandlung definiert.
Hintergrund: Ob eine Behandlung stationär oder ambulant erfolgt, war nach Einschätzung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) in der Vergangenheit häufig eine Kostenfrage. Die unterschiedliche Vergütung von stationär erbrachten Leistungen (Fallpauschalen) und ambulanter Behandlung (EBM) führten dazu, dass Behandlungen stationär erfolgten, die auch ohne eine Unterbringung im Krankenhaus möglich wären. Um für Patienten nicht notwendige Übernachtungen im Krankenhaus zu vermeiden, werde für bestimmte Behandlungen eine sektorengleiche Vergütung eingeführt. Diese Vergütung liegt zwischen dem ambulanten (EBM) und stationären Niveau (DRG). Bis zum 31.03.2023 sollen Krankenkassen und Krankenhäuser gemeinsam einen Katalog ambulant durchführbarer Operationen sowie eine entsprechende Vergütung festlegen.
Förderung für Geburtshilfe und Kinderheilkunde (Pädiatrie)
Um Geburtshilfeabteilungen in Krankenhäusern zu unterstützen, erhalten die Bundesländer zusätzliche finanzielle Mittel. Bei der Festlegung der konkreten Höhe je Krankenhausstandort sind die Vorhaltung einer Fachabteilung für Pädiatrie, einer Fachabteilung für Neonatologie ein bestimmter Anteil vaginaler Geburten, die Geburtenzahl sowie die Möglichkeit der Durchführung des berufspraktischen Teils des Hebammenstudiums zu berücksichtigen. Damit soll eine flächendeckende Versorgung mit Geburtshilfestandorten aufrechterhalten werden. Hierfür stehen für die Jahre 2023 und 2024 jeweils 120 Millionen Euro zur Verfügung.
Für die stationäre Versorgung von Kindern und Jugendlichen wird das vor der Pandemie im Jahr 2019 erbrachte Erlösvolumen weitgehend unabhängig von den tatsächlich erbrachten Leistungen garantiert. Zur Vermeidung von Fehlanreizen muss ein Krankenhaus Abschläge hinnehmen, wenn es für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen weniger als 80 Prozent des Erlösvolumens von 2019 erzielt. Das Erlösvolumen von 2019 wird zudem bis in die Gegenwart fortgeschrieben und jeweils für das Jahr 2023 und 2024 zusätzlich um 300 Millionen Euro aufgestockt - insgesamt also um 600 Millionen Euro. Durch die Garantie des Erlösvolumens soll erreicht werden, dass die Versorgung von Kindern und Jugendlichen gegenüber der leistungsorientierten Logik des Fallpauschalensystems abgesichert ist. Besondere Einrichtungen können für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen einen Zuschlag abrechnen. Die Mittel sind zweckgebunden für die Versorgung von Kindern und Jugendlichen.
Zur Finanzierung der zusätzlichen Mittel für die Geburtshilfe und die Pädiatrie werden für die Jahre 2023 und 2024 jeweils rund 380 Millionen Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds entnommen. Darüber hinaus beteiligt sich u.a. auch die Private Krankenversicherung (PKV) an der Finanzierung.
Hebammenversorgung
Ab dem Jahr 2025 werden die Personalkosten von Hebammen vollständig im Pflegebudget berücksichtigt. Damit werden die anfallenden Personalkosten von Hebammen für Betreuung von Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen laut BMG vollständig refinanziert und die Beschäftigung von Hebammen in den Kreißsälen einer unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen gleichgestellt.
Weitere Regelungen für den Krankenhausbereich
Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf im Krankenhausbereich insbesondere folgende Regelungen vor:
Digitale Gesundheitsversorgung
Das Gesetz enthält zudem Regelungen zur Verbesserung der digitalen Anwendungen im Bereich der medizinischen und pflegerischen Versorgung. Dabei geht es insbesondere darum, die Nutzerfreundlichkeit zu stärken und die Verbreitung zu erhöhen. So werden Verordnungsdaten im Versorgungsprozess nutzbar gemacht oder einfache Identifizierungsverfahren in den Apotheken ermöglicht. Zugleich werden Hürden abgebaut, die derzeit aufgrund von Beschränkungen durch Anbieter und Hersteller informationstechnischer Systeme im Rahmen der Telematikinfrastruktur (TI) bestehen.
Weitere Regelungen
Deutliche Kritik von Kassen und Kliniken
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft DKG bezeichnet das Gesetz Lauterbachs als "Sammelwerk gesetzgeberischer Schnellschüsse". Zu den zentralen Kritikpunkten der Kliniken gehört das Vetorecht des Finanzministers bei der Personalbemessung in der Pflege. Dieses konterkariere die Bemessung am Pflegebedarf und das politische Versprechen der vollständigen Refinanzierung der Pflege am Bett. "Hektisch" würden mit dem Gesetz Einzelaspekte des Koalitionsvertrages aufgegriffen. Hybrid-DRGs und tagesklinische Behandlung seien jedoch echte Paradigmenwechsel und sollten in einem großen Finanzierungsreformvorhaben integriert werden. Kritisiert wird auch die Finanzierung der Pädiatrie und Geburtshilfe. Die Zusatzgelder würden vom BMG per Rechtsverordnung gleichzeitig über den DRG-Katalog wieder gestrichen. Über die Aufhebung der Möglichkeit zur Berücksichtigung eines Leistungsrückgangs im Landesbasisfallwert würden die Krankenhäuser zudem sehenden Auges in wirtschaftliche Nöte geschickt.
Mehr Infos dazu auf tagesschau.de:
Das Gesetz wird noch vom Bundesrat beraten und tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
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