Neuer Expertenrat zur GKV-Finanzreform
Studie: Finanzlücke in 2023 deutlich größer als angenommen
13.07.2022·Trotz breiter Kritik an dem von Bundesgesundheitminister Prof. Karl Lauterbach geplanten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) wurde der Referentenentwurf zum Gesetz unverändert und offiziell den Ländern und Fachverbänden zur Anhörung zugeleitet. Für künftige GKV-Finanzreformen hat Lauterbach angekündigt, eine Expertenkommission berufen zu wollen. Derweil hat eine IGES-Analyse ergeben, dass der für 2023 erwartete Fehlbetrag in der GKV mit bis zu 24 Milliarden Euro deutlich höher ausfallen wird, als von Lauterbach im GKV-FinStG mit 17 Milliarden Euro berücksichtigt.
So begrüßt der AOK-Bundesverband zwar die Ankündigung Lauterbachs, einen Expertenrat für Finanzierungslösungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einsetzen zu wollen, hält den aktuellen Gesetzesentwurf jedoch für "völlig ungeeignet, die strukturelle Milliardenlücke der GKV langfristig zu schließen". Deshalb, so der Verband, sei es gut, "Sachverstand zusammenzubringen, um tragfähige Lösungen von Dauer zu entwickeln". Explizit kritisieren die AOK den aus ihrer Sicht verfassungswidirigen erneuten Rücklagenabbau in der GKV: "Die erneute Zwangsreduktion der Rücklagen ist mit den Anforderungen an die Insolvenzsicherheit in keiner Weise in Einklang zu bringen", so der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jens Martin Hoyer. Die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen als selbstverwaltete und für ihre Haushalte autonom verantwortlichen sowie insolvenzfähigen Körperschaften sei unter diesen Rahmenbedingungen massiv gefährdet. Nach Auffassung des AOK-BV stelle dies einen wiederholten gravierenden Eingriff in die Haushaltsautonomie der sozialen Selbstverwaltung der Kassen dar.
Experten gehen von deutlich höherem Defizit aus
Einmal-Zahlungen von jährlich 1 Mrd. Euro der forschenden Pharmafirmen an den Gesundheitsfonds (auf zwei Jahre befristet), bemessen nach dem Anteil des jeweiligen Unternehmens am Ausgabenvolumen der GKV für Patentarzneimittel im Vorjahr.
Das Preismoratorium bei Arzneimitteln wird bis Ende 2026 verlängert.
AMNOG I: Die Zeitspanne für die freie Preisbildung von patentgeschützten Arzneimitteln wird auf sechs Monate verkürzt.
AMNOG II: Für die Preisbildung von Arzneimitteln mit keinem oder geringem Zusatznutzen gibt es Vorgaben.
AMNOG III: Erhöht sich der Absatz eines patentgeschützten Arzneimittels (z. B. durch Ausweitung auf weitere Patientengruppen) erheblich, muss das bei Preisverhandlungen berücksichtigt werden.
AMNOG IV: Reduzierung der Umsatzschwelle für Arzneimittel, die zur Behandlung eines seltenen Leidens zugelassen worden sind, von 50 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro.
AMNOG V: Bei der Erstattungsverhandlung ist zukünftig ein Verwurf preismindernd zu berücksichtigen, wenn bei den jeweiligen Patientengruppen ein Verwurf von mehr als 20 Prozent der in Verkehr gebrachten Packungsgröße zu erwarten ist.
Abschlag auf Arzneimittel einer Kombinationstherapie:
Wenn Arzneimittel in vom G-BA definierten Kombinationen eingesetzt werden, erhalten Krankenkassen vom Hersteller einen Abschlag in Höhe von 20 Prozent des Erstattungsbetrags.
Künftig dürfen nur Pflegekräfte in den Pflegebudgets berücksichtigt werden.
Die extrabudgetäre Vergütung von Neupatienten für Vertragsärzte wird abgeschafft. Terminservicestellen bleiben für Patienten erhalten.
Erhöhung des Apothekenabschlags von 1,77 Euro auf 2 Euro pro Packung (auf zwei Jahre befristet).
Die von den Krankenkassen an die KZVen gezahlten Gesamtvergütungen für Zahnbehandlung ohne Zahnersatz dürfen sich 2023 höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte und 2024 höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte Veränderungsrate verändern (ausgenommen Früherkennung und Individualprophylaxe).
Krankenkassen müssen überschüssige Finanzreserven an den Gesundheitsfonds abführen (90 Prozent ihrer Finanzreserven oberhalb von 0,3 Monatsausgaben und 65 Prozent oberhalb von 0,2 und unterhalb von 0,3 Monatsausgaben). Diese Mittel stehen für Zuweisungen an die Krankenkassen und damit für die Stabilisierung des Zusatzbeitragssatzes 2023 zur Verfügung).
Die Obergrenze des Gesundheitsfonds wird auf 0,25 Monatsausgaben halbiert. Überschreitende Mittel stehen für Zuweisungen an die Krankenkassen und damit für die Stabilisierung des Zusatzbeitragssatzes 2023 zur Verfügung.
Der bestehende Bundeszuschuss wird von 14,5 Milliarden Euro für 2023 um 2 Milliarden Euro erhöht.
Der Bund gewährt der GKV ein unverzinsliches langfristiges Darlehen für 2023 von 1 Milliarde Euro an den Gesundheitsfonds.
Die Verwaltungskosten der Krankenkassen werden begrenzt.
Der Schätzerkreis wird im Herbst das verbleibende Defizit berechnen, das über höhere Zusatzbeiträge zu finanzieren ist. Das BMG wird auf dieser Basis den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2023 festsetzen.
Quelle: Bundesgesundheitsministerium
- GKV-FinStG: Zusatzbeitragssatz soll um 0,3 Prozentpunkte steigen
- IfG-Berechnung: Kassendefizit erhöht sich 2023 stärker als erwartet
- Kassenverbände fordern dringend Nachbesserungen am GKV-FinStG
- GKV-Spitzenverband: Einseitige Belastung der Beitragszahlenden stoppen!
- Stellungnahme des AOK-Bundesverbandes zum GKV-FinStG
- Stellungnahme der Bundesärztekammer zum GKV-FinStG
- GKV-FinStG: SoVD fordert mehr Unterstützung vom Bund
- Virchowbund: "Lauterbach tut das Gegenteil von dem, was er sagt"
- Beitragsvergleich/-rechner: Wie wirken sich Beitragssteigerungen aus?
GKV-Newsletter - "einfach" informiert bleiben
Der kostenfreie Infoservice zur GKV und Gesundheitspolitik