GKV-Finanzentwicklung
Defizit der Krankenkassen steigt im 3. Quartal 2024 auf 3,7 Milliarden Euro
07.12.2024·Die 95 gesetzlichen Krankenkassen haben von Januar bis September 2024 ein Defizit in Höhe von 3,7 Milliarden Euro verbucht. Dies hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am Freitag (06.12.2024) in Berlin mitgeteilt. Nach dem Defizit von 2,2 Milliarden Euro zur Jahresmitte 2024 rutschen die Kassen damit alleine im 3. Quartal 2024 um weitere 1,5 Milliarden Euro ins Minus.
Kassen unterschreiten gesetzliche Mindestrücklage
Gesunken sind dagegen erneut die Finanzreserven der Krankenkassen. Sie betrugen Ende September noch rund 4,7 Milliarden Euro, was rund 0,17 Monatsausgaben entspricht. Damit reißen die Kassen nach zahlreichen Jahren hoher Rücklagen zum 30.09.2024 erstmals die gesetzlich vorgeschriebene Rücklage von 0,2 Monatsausgaben. Seit Ende 2018 wurden die Reserven der Kassen auch über gesetzliche Regelungen um insgesamt rund 16,3 Milliarden Euro abgebaut.
Stand der GKV-Rücklagen
30.09.2024: 4,7 Milliarden
30.06.2024: 6,2 Milliarden
31.03.2024: 7,6 Milliarden Euro
31.12.2023: 8,4 Milliarden Euro
31.12.2022: 10,4 Milliarden Euro
31.12.2021: 11,0 Milliarden Euro
31.12.2020: 16,7 Milliarden Euro
31.12.2019: 19,8 Milliarden Euro
31.12.2018: 21 Milliarden Euro
Unterschiedliche Entwicklung nach Krankenkassenarten
Die Ersatzkassen (TK, Barmer, DAK, KKH, hkk, HEK) erzielten ein Defizit von 1,3 Milliarden Euro, die Ortskrankenkassen (AOK) von 1,0 Milliarde Euro, die Betriebskrankenkassen (BKK) von 859 Millionen Euro, die Innungskrankenkassen (IKK) von 409 Millionen Euro und die Knappschaft von 52 Millionen Euro. Die nicht am Risikostrukturausgleich teilnehmende Landwirtschaftliche Krankenkasse verbuchte ein Defizit von 8 Millionen Euro.
Ergebnis des Gesundheitsfonds
Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15.01.2024 über eine Liquiditätsreserve von rund 9,4 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 ein Defizit von 7,7 Milliarden Euro. Hierbei ist ein saisonaler Effekt zu beachten: Die Ausgaben des Gesundheitsfonds fließen als monatliche Zuweisungen in konstanter Höhe an die Krankenkassen, während die Einnahmen unterjährig erheblich schwanken und insbesondere im 4. Quartal aufgrund der Verbeitragung von Jahressonderzahlungen wie dem Weihnachtsgeld in der Regel höher ausfallen. Ein nicht saisonal bedingter Teil des Defizits resultiert jedoch daraus, dass im Jahr 2024 insgesamt 3,1 Milliarden Euro der Liquiditätsreserve mit der Absicht an die Krankenkassen ausgeschüttet wurde, die Zusatzbeitragssätze nach dem verordneten Abbau der Finanzreserven zu stabilisieren.
Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,6 Prozent. Verantwortlich für die weiterhin gute Einnahmenentwicklung im 1. bis 3. Quartal sind insbesondere die inflationsbedingt kräftigen Tariflohnsteigerungen.
Entwicklungen bei den Ausgaben
Die Aufwendungen für den ausgabenstärksten Leistungsbereich Krankenhausbehandlungen sind in den ersten neun Monaten um 7,8 Prozent bzw. 5,4 Milliarden Euro gestiegen und stellen damit einen maßgeblichen Treiber der hohen Ausgabendynamik dar. Hierbei ist laut BMG die sehr dynamische Preiskomponente (die sich aus dem Orientierungswert für die Kosten der Krankenhäuser und der Grundlohnrate ergebenden Veränderungswerte in den Entgeltbereichen DRG und PEPP betragen für 2024 mehr als 5 Prozent) zu beachten. Sehr dynamisch seien auch die Pflegepersonalkosten (+12,8 Prozent bzw. 1,9 Milliarden Euro) sowie die Aufwendungen für stationäre psychiatrische Behandlungen (7,2 Prozent bzw. rund 500 Millionen Euro) gestiegen. Die Aufwendungen für ambulante Operationen nach AOP-Katalog sowie nach den neu eingeführten Hybrid-DRG verzeichneten in Summe Ausgaben von rund 1 Milliarden Euro, von denen 318 Millionen Euro auf die neu eingeführten Hybrid-DRGs entfielen. Die restlichen Ausgaben für diesen Bereich legten um 5,6 Prozent (+2,7 Milliarden Euro) zu.
Die Aufwendungen für die Versorgung mit Arzneimitteln stiegen im 1. bis 3. Quartal um 9,9 Prozent bzw. 3,7 Milliarden Euro und damit unverändert hoch wie im 1. Halbjahr. Die Steigerung sei in besonderem Maße vom Auslaufen des in 2023 einmalig erhöhten gesetzlichen Herstellerabschlags von 7 auf 12 Prozent durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geprägt. Im gleichen Zeitraum nahmen die zugunsten der GKV gewährten gesetzlichen Rabatte der pharmazeutischen Unternehmer um rund 890 Millionen Euro ab. Ohne Berücksichtigung dieser Rabatte wuchsen die Ausgaben um 7,0 Prozent bzw. 2,8 Milliarden Euro. Die Aufwendungen für Arzneimittel im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung stiegen um rund 740 Millionen Euro (+49,9 Prozent) gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen sind im 1. bis 3. Quartal um 6,4 Prozent bzw. 2,2 Milliarden Euro gestiegen. Damit lag das Ausgabenwachstum rund einen Prozentpunkt höher als in den Rechnungsergebnissen des ersten Halbjahres. Zu diesem dynamischen Aufwuchs tragen auch die Aufwendungen für mit den neu eingeführten Hybrid-DRG abgerechneten ambulanten Behandlungen bzw. Operationen bei, die sich mit 84 Millionen Euro gegenüber dem ersten Halbjahr mehr als verdoppelten. Daneben wuchsen auch die Aufwendungen für ambulante Operationen nach AOP-Katalog (+10,0 Prozent bzw. +169 Millionen Euro) sowie für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung durch Vertragsärzte und Krankenhäuser (+24,5 Prozent bzw. +84 Millionen Euro) jeweils deutlich stärker als der Gesamtbereich und stärker als im ersten Halbjahr 2024. Die Aufwendungen für zahnärztliche Behandlungen (ohne Zahnersatz) stiegen um 3,8 Prozent bzw. 112 Millionen Euro und damit etwas weniger stark als im 1. Halbjahr. Die Ausgaben für den Teilbereich der Parodontalbehandlungen stiegen überdurchschnittlich stark um rund 6,1 Prozent bzw. 67 Millionen Euro.
Stark gestiegen sind die Ausgaben im Bereich Heilmittel (+10,1 Prozent bzw. +915 Millionen Euro), Behandlungspflege und der häuslichen Krankenpflege (+12,3 Prozent bzw. +855 Millionen Euro) sowie bei Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen (+10,0 Prozent bzw. +318 Millionen Euro). Letztere wiesen nach den pandemiebedingten Einbrüchen der vergangenen Jahre schon seit 2022 eine überdurchschnittliche Dynamik auf.
Bei der Interpretation der Daten des 1. bis 3. Quartals ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen, insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten, noch von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten noch nicht oder nur teilweise vorliegen.
Weitere Entwicklung
Das BMG hat auf Basis der Prognose des GKV-Schätzerkreises vom 14. und 15. Oktober zum 6. November einen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2025 von 2,5 Prozent bekanntgegeben (vgl. "Links zum Thema"). Dies entspricht einem Anstieg von 0,8 Prozentpunkten gegenüber dem für 2024 bekannt gegebenen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz von 1,7 Prozent.
Die vorläufigen Finanzergebnisse der GKV für das Jahr 2024 werden Ende Februar 2025, die endgültigen Finanzergebnisse der GKV Mitte Juni 2025 vorliegen.
- Rekordbeitragssätze bis 18,5 Prozent / 16 weitere Kassen erhöhen Zusatzbeitragssatz - BMG versäumt wichtige Frist
- GKV-Finanzsituation bis 01.08.2024 / 3-Prozent-Marke überschritten: 21 Krankenkassen passen Zusatzbeitragssatz an
- BMG legt durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz 2025 auf 2,5 Prozent fest
- Sozialbeiträge explodieren bis 2035 / Neue IGES-Projektion: SV-Gesamtbeitrag steigt in 10 Jahren um 7,5 Beitragspunkte auf 48,6 Prozent
- Unnötige Beitragserhöhung / Kassen subventionieren Bund mit Milliarden
- Mehrbeiträge bis knapp 2.900 Euro pro Jahr / Bundeskabinett beschließt Sozialversicherungs-Rechengrößen 2025
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