GKV-Finanzentwicklung

Defizit der Krankenkassen steigt im 3. Quartal 2024 auf 3,7 Milliarden Euro

07.12.2024·Die 95 gesetzlichen Krankenkassen haben von Januar bis September 2024 ein Defizit in Höhe von 3,7 Milliarden Euro verbucht. Dies hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) am Freitag (06.12.2024) in Berlin mitgeteilt. Nach dem Defizit von 2,2 Milliarden Euro zur Jahresmitte 2024 rutschen die Kassen damit alleine im 3. Quartal 2024 um weitere 1,5 Milliarden Euro ins Minus.

Den Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 239,2 Milliarden Euro standen Ausgaben in Höhe von 242,9 Milliarden Euro gegenüber. Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz lag im November bei 1,83 Prozent. Zu Jahresbeginn lag dieser noch bei 1,70 Prozent. Bis November 2024 haben 34 Krankenkassen ihren Zusatzbeitragssatz unterjährig angehoben (vgl. Links zum Thema).

Kassen unterschreiten gesetzliche Mindestrücklage

Gesunken sind dagegen erneut die Finanzreserven der Krankenkassen. Sie betrugen Ende September noch rund 4,7 Milliarden Euro, was rund 0,17 Monatsausgaben entspricht. Damit reißen die Kassen nach zahlreichen Jahren hoher Rücklagen zum 30.09.2024 erstmals die gesetzlich vorgeschriebene Rücklage von 0,2 Monatsausgaben. Seit Ende 2018 wurden die Reserven der Kassen auch über gesetzliche Regelungen um insgesamt rund 16,3 Milliarden Euro abgebaut.

Stand der GKV-Rücklagen
30.09.2024: 4,7 Milliarden
30.06.2024: 6,2 Milliarden
31.03.2024: 7,6 Milliarden Euro
31.12.2023: 8,4 Milliarden Euro
31.12.2022: 10,4 Milliarden Euro
31.12.2021: 11,0 Milliarden Euro
31.12.2020: 16,7 Milliarden Euro
31.12.2019: 19,8 Milliarden Euro
31.12.2018: 21 Milliarden Euro

Unterschiedliche Entwicklung nach Krankenkassenarten

Die Ersatzkassen (TK, Barmer, DAK, KKH, hkk, HEK) erzielten ein Defizit von 1,3 Milliarden Euro, die Ortskrankenkassen (AOK) von 1,0 Milliarde Euro, die Betriebskrankenkassen (BKK) von 859 Millionen Euro, die Innungskrankenkassen (IKK) von 409 Millionen Euro und die Knappschaft von 52 Millionen Euro. Die nicht am Risikostrukturausgleich teilnehmende Landwirtschaftliche Krankenkasse verbuchte ein Defizit von 8 Millionen Euro.

Ergebnis des Gesundheitsfonds

Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15.01.2024 über eine Liquiditätsreserve von rund 9,4 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 ein Defizit von 7,7 Milliarden Euro. Hierbei ist ein saisonaler Effekt zu beachten: Die Ausgaben des Gesundheitsfonds fließen als monatliche Zuweisungen in konstanter Höhe an die Krankenkassen, während die Einnahmen unterjährig erheblich schwanken und insbesondere im 4. Quartal aufgrund der Verbeitragung von Jahressonderzahlungen wie dem Weihnachtsgeld in der Regel höher ausfallen. Ein nicht saisonal bedingter Teil des Defizits resultiert jedoch daraus, dass im Jahr 2024 insgesamt 3,1 Milliarden Euro der Liquiditätsreserve mit der Absicht an die Krankenkassen ausgeschüttet wurde, die Zusatzbeitragssätze nach dem verordneten Abbau der Finanzreserven zu stabilisieren.

Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,6 Prozent. Verantwortlich für die weiterhin gute Einnahmenentwicklung im 1. bis 3. Quartal sind insbesondere die inflationsbedingt kräftigen Tariflohnsteigerungen.

Entwicklungen bei den Ausgaben

Die Krankenkassen verzeichneten im 1. bis 3. Quartal 2024 einen Zuwachs für Leistungsausgaben und Verwaltungskosten von 7,5 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 7,8 Prozent und damit deutlich stärker als in den letzten Jahren. Die Verwaltungskosten erhöhten sich um 1,0 Prozent. In absoluten Zahlen stiegen die Leistungsausgaben der Krankenkassen im 1. bis 3. Quartal um 16,7 Milliarden Euro. Die Verwaltungskosten erhöhten sich nur um 89 Millionen Euro, da rund 403 Millionen Euro weniger an Altersrückstellungen als im Vorjahresquartal gebucht wurden. Der Anstieg der Verwaltungskosten ohne Altersrückstellungen betrug im 1. bis 3. Quartal 5,6 Prozent.

Stationäre Behandlungen
Die Aufwendungen für den ausgabenstärksten Leistungsbereich Krankenhausbehandlungen sind in den ersten neun Monaten um 7,8 Prozent bzw. 5,4 Milliarden Euro gestiegen und stellen damit einen maßgeblichen Treiber der hohen Ausgabendynamik dar. Hierbei ist laut BMG die sehr dynamische Preiskomponente (die sich aus dem Orientierungswert für die Kosten der Krankenhäuser und der Grundlohnrate ergebenden Veränderungswerte in den Entgeltbereichen DRG und PEPP betragen für 2024 mehr als 5 Prozent) zu beachten. Sehr dynamisch seien auch die Pflegepersonalkosten (+12,8 Prozent bzw. 1,9 Milliarden Euro) sowie die Aufwendungen für stationäre psychiatrische Behandlungen (7,2 Prozent bzw. rund 500 Millionen Euro) gestiegen. Die Aufwendungen für ambulante Operationen nach AOP-Katalog sowie nach den neu eingeführten Hybrid-DRG verzeichneten in Summe Ausgaben von rund 1 Milliarden Euro, von denen 318 Millionen Euro auf die neu eingeführten Hybrid-DRGs entfielen. Die restlichen Ausgaben für diesen Bereich legten um 5,6 Prozent (+2,7 Milliarden Euro) zu.

Arzneimittel
Die Aufwendungen für die Versorgung mit Arzneimitteln stiegen im 1. bis 3. Quartal um 9,9 Prozent bzw. 3,7 Milliarden Euro und damit unverändert hoch wie im 1. Halbjahr. Die Steigerung sei in besonderem Maße vom Auslaufen des in 2023 einmalig erhöhten gesetzlichen Herstellerabschlags von 7 auf 12 Prozent durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geprägt. Im gleichen Zeitraum nahmen die zugunsten der GKV gewährten gesetzlichen Rabatte der pharmazeutischen Unternehmer um rund 890 Millionen Euro ab. Ohne Berücksichtigung dieser Rabatte wuchsen die Ausgaben um 7,0 Prozent bzw. 2,8 Milliarden Euro. Die Aufwendungen für Arzneimittel im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung stiegen um rund 740 Millionen Euro (+49,9 Prozent) gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Ambulante Behandlungen
Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen sind im 1. bis 3. Quartal um 6,4 Prozent bzw. 2,2 Milliarden Euro gestiegen. Damit lag das Ausgabenwachstum rund einen Prozentpunkt höher als in den Rechnungsergebnissen des ersten Halbjahres. Zu diesem dynamischen Aufwuchs tragen auch die Aufwendungen für mit den neu eingeführten Hybrid-DRG abgerechneten ambulanten Behandlungen bzw. Operationen bei, die sich mit 84 Millionen Euro gegenüber dem ersten Halbjahr mehr als verdoppelten. Daneben wuchsen auch die Aufwendungen für ambulante Operationen nach AOP-Katalog (+10,0 Prozent bzw. +169 Millionen Euro) sowie für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung durch Vertragsärzte und Krankenhäuser (+24,5 Prozent bzw. +84 Millionen Euro) jeweils deutlich stärker als der Gesamtbereich und stärker als im ersten Halbjahr 2024. Die Aufwendungen für zahnärztliche Behandlungen (ohne Zahnersatz) stiegen um 3,8 Prozent bzw. 112 Millionen Euro und damit etwas weniger stark als im 1. Halbjahr. Die Ausgaben für den Teilbereich der Parodontalbehandlungen stiegen überdurchschnittlich stark um rund 6,1 Prozent bzw. 67 Millionen Euro.

Weitere Leistungsbereiche
Stark gestiegen sind die Ausgaben im Bereich Heilmittel (+10,1 Prozent bzw. +915 Millionen Euro), Behandlungspflege und der häuslichen Krankenpflege (+12,3 Prozent bzw. +855 Millionen Euro) sowie bei Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen (+10,0 Prozent bzw. +318 Millionen Euro). Letztere wiesen nach den pandemiebedingten Einbrüchen der vergangenen Jahre schon seit 2022 eine überdurchschnittliche Dynamik auf.

Bei der Interpretation der Daten des 1. bis 3. Quartals ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen, insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten, noch von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten noch nicht oder nur teilweise vorliegen.

Weitere Entwicklung

Das BMG hat auf Basis der Prognose des GKV-Schätzerkreises vom 14. und 15. Oktober zum 6. November einen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2025 von 2,5 Prozent bekanntgegeben (vgl. "Links zum Thema"). Dies entspricht einem Anstieg von 0,8 Prozentpunkten gegenüber dem für 2024 bekannt gegebenen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz von 1,7 Prozent.

Die vorläufigen Finanzergebnisse der GKV für das Jahr 2024 werden Ende Februar 2025, die endgültigen Finanzergebnisse der GKV Mitte Juni 2025 vorliegen.



GKV-Newsletter
GKV-Newsletter - "einfach" informiert bleiben

Der kostenfreie Infoservice zur GKV und Gesundheitspolitik

Termine

Termine zu den Themen­bereichen Sozialver­sicherung, Krankenkassen und Karriere in der GKV:

Terminhinweise, Kalender
Weitere News

Rekordbeitragssätze und zahlreiche Neuerungen

Das ändert sich für Versicherte ab Januar 2025

Zum Jahreswechsel 2024/25 ändern sich wichtige beitrags- und leistungsrelevante Rechenwerte und Beträge für Versicherte und Arbeitgeber. Weitere wichtige Änderungen betreffen... mehr


Ohne Vermittlungsausschuss

Krankenhausreform passiert den Bundesrat

Der Bundesrat hat am Freitag (22.11.2024) die umstrittene Krankenhausreform gebilligt. Auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses wurde verzichtet. Ziel des Gesetzes... mehr


Änderungen ab 2025

Übergangsbereich für Midijobs bis 2.000 Euro wird angepasst

Durch die Anhebung des Mindestlohns zum 01.01.2025 ändern sich auch die Verdienstgrenzen für geringfügig entlohnte Beschäftigungen (Minijobs) und Midijobs im... mehr

mehr News ...