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Siemens-Betriebskrankenkasse|20.06.2024

PRESSEMITTEILUNG

Whitepaper SBK: Flickenteppich regionale Gesundheitsversorgung? Modell Finnland

München (kkdp)·Finnland hat viel Erfahrung darin, Versorgung in der Fläche zu organisieren. Vier Ansätze, die auch bei uns Potenzial haben

Schon heute ist die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum mancherorts ein Flickenteppich. Lange Wege zum Facharzt, Landarztpraxen ohne Nachfolge, kleinere Krankenhäuser an der Belastungsgrenze. Was bedeutet das in Zukunft für die Patientinnen und Patienten? Und welche Antworten gibt es auf diese Herausforderungen?

Konkrete Lösungsansätze zu diesen drängenden Fragen stellen wir Ihnen mit unserem neuen Whitepaper "Finnland: Gesundheitsversorgung in der Fläche" vor. Finnland-Experte Sven Preusker zeigt auf, was wir von dem Vorbild im hohen Norden lernen können. Franziska Beckebans, Bereichsleiterin für Versorgung der SBK Siemens-Betriebskrankenkasse, erklärt, wie die elektronische Patientenakte zum Gamechanger in strukturschwachen Regionen werden kann.

Versorgungslücken im ländlichen Raum

Deutschland gehört international zu den Ländern mit den meisten Ärztinnen und Ärzten, aktuell sind es über 428.000. Rechnerisch versorgt jede*jeder von ihnen rund 198 Menschen, was einer Verdopplung seit den 1980er Jahren gleichkommt. Doch ländlich geprägte Bundesländer wie Brandenburg und Flächenländer wie Niedersachsen oder Bayern verzeichnen mit einer Quote von 230 bis 250 deutlich schlechtere Werte.(*1)

Die Herausforderung ist dabei vielschichtiger, als der Blick auf die bloße Anzahl an Ärztinnen und Ärzten aussagt. So werden 13 Prozent von ihnen bald in den Ruhestand gehen. Auf dem Land werden Praxen schließen, weil sie keine Nachfolge und/oder weil sie kein Fachpersonal finden.(*2) Die nachwachsende Generation wünscht sich - anders als früher - flexible Arbeitszeiten, sie möchten lieber angestellt als selbstständig tätig sein. Die Jungen erwarten zudem ein kollaboratives Arbeiten in Teams, statt auf dem Land in einer traditionellen Rolle auf sich allein gestellt zu sein.(*3)

In manchen Regionen droht die Versorgungsinfrastruktur deshalb zum Flickenteppich zu werden. Es fehlt an Fachkräften und die Wege in die Arztpraxis oder in die Klinik werden länger. Gleichzeitig steigt mit der demografischen Entwicklung der Bedarf an medizinischer und pflegerischer Versorgung - gerade in ländlichen Regionen. Insbesondere im Osten der Republik wird die Bevölkerung schneller altern als im Durchschnitt - mit entsprechenden Anforderungen an die Infrastruktur.(*4)

Vorbild Finnland - regional und digital

Auf der Suche nach Lösungen lohnt sich ein Blick in den hohen Norden Europas. In Länder wie Finnland, wo auf einer annähernd so großen Fläche wie die Deutschlands gerade einmal 5,5 Millionen Menschen leben.

Zu Beginn des Jahres 2023 trat in Finnland, die letzte Phase einer Sozial- und Gesundheitsfürsorge- Reform in Kraft. Die bis dahin 309 Kommunen und 20 Krankenhausbezirke wurden zu 21 Gesundheitsregionen zusammengefasst. Hinzu kommen die Stadt Helsinki und die autonome Region Aland. Die Gesundheitsregionen erhielten auch die finanzielle Verantwortung für die Ausgestaltung der regionalen Versorgung. Dieser Schritt sollte die Effizienz der Gesundheitsversorgung erhöhen.

130 Gesundheitszentren mit insgesamt 510 Standorten bilden nun die erste Anlaufstelle, um die Grundversorgung von akuten Fällen bis hin zu chronisch kranken Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Hier arbeiten unterschiedliche medizinische Fachkräfte unter einem Dach.

Pflegefachkräfte spielen in den Zentren eine Schlüsselrolle. Sie sind die "ersten Gatekeeper" und entscheiden - in einer Art Triage - über das weitere Vorgehen, etwa ob eine ärztliche Untersuchung oder ärztlicher Rat vonnöten ist. Sie werden in Hochschulen für angewandte Wissenschaften ausgebildet und in Trainings weiterqualifiziert. So werden sie in die Lage versetzt, Erkrankte eigenständig zu betreuen und auch bestimmte Medikamente selbständig zu verschreiben.(*5) Hinzu gekommen sind neue Gesundheitsberufe wie "Nurse Practitioner" oder "Physician Assistant", die erweiterte, früher Ärztinnen und Ärzten vorbehaltene Tätigkeiten ausüben dürfen.(*6)

Die regionale Versorgung ist effizient aufgestellt, allerdings mit deutlichen Unterschieden im Vergleich zu Deutschland: Es gibt keine freie Arztwahl. Beim Besuch eines Gesundheitszentrums ist eine finanzielle Beteiligung fällig. Ambulante Behandlungen und die Pflege zu Hause sind die Regel, stationäre Behandlungen bilden die Ausnahme. Chronisch Erkrankte und ältere Pflegebedürftige werden daheim von mobilen Teams versorgt, die von den zuständigen Gesundheitszentren gesteuert werden. Insgesamt setzt Finnland sehr stark darauf, dass die Einwohnerinnen und Einwohner selbst Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen. Gesundheitskompetenz wird bereits in der Schule gelehrt. Arbeitgeber sind verpflichtet, betriebliches Gesundheitsmanagement anzubieten. (*7)

Das finnische Gesundheitswesen zeichnet sich zudem durch eine konsequente Digitalisierung aus. Die elektronische Patientenakte ist bereits seit mehr als 20 Jahren Herzstück der Gesundheitasversorgung. Seit mehr als zehn Jahren lassen sie sich Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente digital ausstellen. Alle Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen, auch private Anbieter, sind verpflichtet, die ePA zu nutzen. Die Bürgerinnen und Bürger können so zu jeder Zeit alle über sie gespeicherten Daten einsehen.(*8)

Von Finnland lernen: 4 Ansätze mit Potenzial

1. Regionale Strukturen stärken

Von der klassischen Hausarztpraxis bis zum Primärversorgungszentrum: Jede Region hat andere Anforderungen. Entscheidungen sollten dort getroffen werden, wo die Versorgung stattfindet. Wir müssen daher regionale Initiativen fördern und den (vertraglichen) Handlungsspielraum für die Beteiligten vor Ort erweitern. Regionale Versorgungskonzepte dürfen nicht an sektoralen Grenzen scheitern. Stattdessen müssen sie bestehende Strukturen und Angebote miteinander vernetzen.

2. Arztunterstützende Berufe ermächtigen

Die menschliche Ressource ist für eine gute Versorgung entscheidend. Doch sie wird künftig knapp. Mit zunehmendem Fachkräftemangel müssen wir deshalb die Diskussion führen, welche Aufgaben zum Beispiel Pflegekräfte künftig selbstständig übernehmen können. Auch neue Berufsbilder wie Community Nurses oder Physician Assistants können die Branche entlasten. Bisher reagiert die Ärzteschaft verhalten. Hier braucht es einen klaren Rahmen und den Mut, bewährte Aufgaben neu zu verteilen.

3. Digital vernetzen

Technologie kann die Versorgungskonzepte in einer Region zu einem funktionierenden Ganzen zusammenfügen. Eine gelebte "ePA für alle" er- leichtert interdisziplinäre Zusammenarbeit und sorgt für Transparenz in allen Phasen einer Behandlung. Sie sorgt dort für Kontinuität, wo wir das klassische Hausarzt-Modell künftig nicht mehr anbieten können. Telemedizinische Angebote und digitales Monitoring zum Beispiel von chronisch Erkrankten überwindet Distanz und lastet bestehende Ressourcen effizienter aus. Funktionieren wird das dann, wenn wir bestehende bürokratische Hürden endlich abbauen. Telemedizin darf für Praxen nicht zusätzlich kommen, sondern muss Hausbesuche oder Konsultationen vor Ort ersetzen.

4. Gesund und selbst kompetent

Die Kompetenz, gute Entscheidungen für die eigene Gesundheit zu treffen, stärkt den Einzelnen und auch die Resilienz unseres Systems. Deshalb müssen wir mehr als bisher dafür sorgen, dass Gesundheitsinformationen jederzeit einfach und verständlich verfügbar sind. Prävention und Gesundheitskompetenz sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie gehören in den schulischen Lehrplan und müssen auch danach immer wieder durch passgenaue Angebote adressiert werden - egal ob in der Ausbildung oder am Arbeitsplatz. Die Botschaft muss sein: Ich übernehme selbst Verantwortung für meine Gesundheit.

Unsere Fachleute für Versorgung in Finnland und Deutschland

Sven Preusker ist freier Journalist, Autor und Matchmaker und lebt seit einigen Jahren in Finnland. Er ist unter anderem Chefredakteur des Hintergrund-Informationsdienst "Klinik Markt inside" und Redakteur der Fachzeitschrift "Krankenhaus Technik + Management".

"Oft wird bei der Primärversorgung über Gesundheitszentren kritisiert, dass eine Kontinuität fehlt, wie sie die hausärztliche Versorgung bietet. In Finnland bringt die ePA-Nutzung diese Kontinuität mit sich."

Franziska Beckebans ist Bereichsleiterin für Kundenmanagement und Versorgung bei der SBK Siemens- Betriebskrankenkasse.

"Die Versorgung in der Fläche in hoher Qualität zu gewährleisten, ist eine unserer Zukunftsaufgaben. Für diese Herausforderung brauchen wir den Mut, in neuen Lösungen zu denken. Finnland stattet die regionalen Einheiten mit großem Handlungsspielraum aus. Der ausschließliche Fokus auf den Arzt wird abgelöst durch interdisziplinäre Teams. Die ePA ist ebenso fest im System verankert wie der Stellenwert von Prävention und Gesundheitskompetenz. Das sind für mich Ansätze, um auch unsere Versorgung in der Fläche menschlich und zugleich effizient zu gestalten."

*) Quellen:
1. https://de.statista.com
2. https://www.bundesaerztekammer.de
3. https://www.bkk-dachverband.de
4. https://de.statista.com
5. https://www.bmcev.de (PDF)
6. https://www.kbv-klartext.de
7. https://www.aerzteblatt.de
8. https://www.aerzteblatt.de

Pressekontakt:

Katrin Edelmann
Tel.: 089 62700-262
Mobil: 0175 72695780
E-Mail: katrin.edelmann@sbk.org

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Es gelten die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.
© 2000-2024 Redaktion kkdirekt; alle Rechte vorbehalten, alle Angaben ohne Gewähr.

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