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Trotz massiver Kritik

Bundeskabinett beschließt Entwurf zum "Gesundes-Herz-Gesetz" (GHG)

28.08.2024·Die Bundesregierung hat in ihrer Kabinettssitzung vom 28.08.2024 den Entwurf zum "Gesundes-Herz-Gesetz" (GHG) beschlossen. Ziel des Gesetzes ist es, Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen möglichst früh zu erkennen und zu bekämpfen. Krankenkassen und ihre Verbände sowie Vertreter des Breitensports kritisieren das Gesetz massiv. Es schade der Prävention und entziehe dieser zudem die finanzielle Grundlage.

Neben der Prävention durch einen gesünderen Lebenswandel, mehr Bewegung und einer bewussteren Ernährung schaffe das Gesetz laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Grundlagen dafür, vererbte Risikofaktoren früher zu erkennen und besser bekämpfen zu können.

Wesentliche Inhalte des GHG:

Kinder und Jugendliche haben künftig einen Anspruch auf erweiterte Leistungen zur Früherkennung einer Fettstoffwechselerkrankung im Rahmen der Kinder- und Jugenduntersuchungen. Damit sollen insbesondere Kinder mit familiärer Hypercholesterinämie frühzeitig erkannt und behandelt werden. Diese angeborene, durch Lebensstiländerungen nicht ausreichend beeinflussbare Krankheit bedeutet ein sehr hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits im jungen Erwachsenenalter.
Um Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 14 Jahren gezielt zum Thema Herz-Kreislauf-Erkrankungen und möglichem Risikoverhalten anzusprechen, lädt die jeweilige Krankenkasse individuell zur Teilnahme an der Jugendgesundheitsuntersuchung J1 ein. Insgesamt sollen die Teilnahmeraten erhöht werden.
Für Erwachsene wird die bereits bestehende Gesundheitsuntersuchung durch die Einführung von Check-ups für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Alter von 25, 40 und 50 Jahren erweitert.
Gesetzlich Versicherte werden zu den Check-ups von ihrer jeweiligen Krankenkasse eingeladen und erhalten außerdem Gutscheine für eine erweiterte Beratung mit Messungen zu Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Apotheken.
Apotheken werden verstärkt in die Beratung zur Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und tabakassoziierten Erkrankungen eingebunden. Für niedrigschwellige Beratungsangebote in Apotheken werden neue pharmazeutische Dienstleistungen etabliert.
In mehreren großen Studien wurde nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) nachgewiesen, dass Lipidsenker (Arzneimittel bei Fettstoffwechselstörungen) in vielen Fällen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken und die Lebenserwartung verlängern können. Deshalb wird ein gesetzlicher Anspruch auf Versorgung mit Lipidsenkern geregelt. Lipidsenker können so frühzeitiger als zuvor und entsprechend dem individuellen Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verordnet werden.
Arzneimittel zur Tabakentwöhnung können nachweislich die Erfolgsquote beim Verzicht auf das Rauchen steigern. Der Anspruch auf eine medikamentöse Therapie zur Tabakentwöhnung wird ausgeweitet. Er ist künftig nicht nur auf eine "schwere Tabakabhängigkeit" beschränkt und wird häufiger als alle drei Jahre finanziert.
Die Erteilung einer ärztlichen Präventionsempfehlung zur Tabakentwöhnung und zum Ernährungsverhalten außerhalb der Gesundheitsuntersuchungen wird regelmäßig extrabudgetär vergütet.
Strukturierte Behandlungsprogramme, sog. Disease-Management-Programme (DMP), werden inhaltlich weiterentwickelt und die Umsetzung in der Versorgung gefördert und beschleunigt. Unter anderem wird der G-BA gesetzlich beauftragt, Anforderungen an ein neues strukturiertes Behandlungsprogramm für behandlungsbedürftige Versicherte mit einem hohen Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu beschließen.

Krankenkassen üben massive Kritik am GHG

Um die Prävention zu stärken und qualitätsgesichert auszubauen, werden diese sowie die Zentrale Prüfstelle Prävention seit über zehn Jahren ausgebaut. Laut Kassenverbände gebe es ein breites, qualitätsgesichertes Kursangebot: Aktuell stünden 110.000 durch die Prüfstelle qualitätsgeprüfte Kurse zur Auswahl, 3.000 davon als Online-Kurse. 2023 registrierten die Krankenkassen fast 1,5 Millionen Kursteilnahmen. Das "Gesundes-Herz-Gesetz" drohe nun dieser wichtigen und erfolgreichen Arbeit die finanzielle Grundlage zu entziehen und anerkannte gesundheitsfördernde Strukturen in ihrer Existenz zu gefährden.

So ist geplant, Beitragsgelder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die heute sinnvoll in die Prävention fließen, für Arzneimittel und Check-ups umzuwidmen. Statt evidenzbasierte Präventionskurse sollen damit unter anderem Statine, also cholesterinsenkende Medikamente, für Kinder verschrieben und finanziert werden, ohne dass ihr wissenschaftlicher Nutzen klar nachgewiesen ist. Aus Sicht der Krankenkassenverbände, die gemeinsam auch die Zentrale Prüfstelle Prävention betreiben, wird damit der von der Politik unterstützte Grundsatz "Mehr Prävention statt immer mehr Kuration" ins Gegenteil verkehrt.

In einer gemeinsamen Erklärung mit den Krankenkassen kritisiert gleichlautend auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) das GHG (vgl. "Links zum Thema"). Er bietet unter dem Siegel "SPORT PRO GESUNDHEIT" Kurse zur Bewegungsförderung an. Seit 2014 kooperieren der DOSB und die Zentrale Prüfstelle Prävention eng und pflegen beispielsweise eine gemeinsame technische Schnittstelle, über die der DOSB seine Kurse bei der Prüfstelle unbürokratisch zertifizieren lässt. Der DOSB vertritt die Interessen des in Verbänden und Vereinen organisierten Sports, der mit knapp 28 Millionen Mitgliedschaften in rund 86.000 Sportvereinen größten zivilgesellschaftlichen Organisation in Deutschland.

Als "komplett auf dem Holzweg" bezeichnet der AOK-Bundesverband die Regierung mit dem Beschluss des GHG: "Statt neue Untersuchungen zur Früherkennung mit mangelhafter Evidenzbasis und fragwürdigem Nutzen zu schaffen, wertvolle Präventionsangebote zu zerstören und die Disease-Management-Programme als wirksamen Baustein zur Sekundärprävention zu gefährden, sollte die Ampel dieses Gesetz besser komplett einstampfen. Denn die im GHG vorgesehenen Maßnahmen verbessern nicht die Herzgesundheit, sondern verschärfen nur die ohnehin prekäre Finanzlage der GKV.

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Dies ist ein Ausdruck aus www.krankenkassen-direkt.de
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© 2000-2024 Redaktion kkdirekt; alle Rechte vorbehalten, alle Angaben ohne Gewähr.

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